Stolen Mortality
irgendeine Art chemische Waffe gegen uns. Dieser Teil der Prophezeiung ist nicht eindeutig, wir können da nur Vermutungen anstellen und interpretieren, was infrage käme.“
„Es kann nicht eindeutig sein. Als die Prophezeiung ausgesprochen wurde, war man hinsichtlich Medizin und Biochemie auf einem anderen Wissen s stand. Damals konnte keiner ahnen, dass man heute das Blut in seine Bestandteile auseinander analysieren kann. Saint-Rémy hat etwas gesehen, aber er hat nicht verstanden, was er gesehen hat.“
„Richtig“, sagte sie. „Sicher ist nur, dass das Kind sterben wird. Und wir mit ihm, warum auch immer.“ Sie nahm noch einen weiteren Schluck Wasser. Es brannte wie Säure und trieb ihr Tränen in die Augen. Sie registrierte Jamians skeptischen Blick und sprach schnell weiter. „Aber es scheint kein generelles Problem zu sein, wenn zwei unsterbliche Kienshi ein Kind zeugen, so selten das auch geschehen mag. Sonst wäre die Prophezeiung oberflächlicher gehalten. Saint-Rémy hielt die meisten seiner Vorhersagen viel allgemeiner als diese. Es hat mit dir zu tun. Nur mit dir.“
„Nur wenn ich der wäre, der die Gedanken der Vampire hören kann“, beharrte Jamian ohne jede Regung seiner Miene.
„Das müssen wir herausfinden. Heute Abend.“ Ein Frostschauder schien durch Laines Körper zu schneien, als ihr klar wurde, wie weit dieser Abend – und damit die Möglichkeit, das Haus zu verlassen – noch entfernt lag. So lange würde sie durchhalten müssen.
Jamian legte den Kopf schief. Er umfasste ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen; er ließ sich nicht davon beeindrucken, dass sie an ihm vorbeizuschauen versuchte.
Die Stille war ihr unangenehm. Er sollte etwas sagen, irgendetwas. Besser noch sollte er weggehen. Doch er verharrte und machte sie mit jedem Pulsschlag nervöser. Geh weg !, verlangte sie innerlich, doch der Duft von Blut war nicht nur quälend, sondern auch zu tröstlich, um die Worte laut auszusprechen. Irgendwann hob er die linke Hand, berührte fast behutsam ihre Wange und ihr Haar, und ließ sein Handgelenk dabei ihre Lippen streifen. Keine versehentliche Berührung, sondern eine zaghafte Aufforderung.
Heftig stieß sie seinen Arm zurück.
„Was soll das? Willst du mich provozieren?“ Sie schämte sich im gleichen Augenblick. Wie konnte sie so garstig zu ihm sein, nachdem er sich ihr anbot? Das war dumm, das war so dumm von ihm. Und dabei eine so vertrauensvolle Geste, dass sie ihn am liebsten geküsst hätte, wenn sie das noch vermocht hätte.
„Ich meine das ernst“, entgegnete er ruhig.
Laine versuchte, nicht hinzuhören. Sie überstand nun keine Diskussion, was ihn glauben lassen würde, er hätte die besseren Argumente. Ihre Blutgier musste zweitrangig sein, sie hatten Wichtiges zu überdenken. Jamian war der Letzte – der absolut Allerletzte -, den sie nun beißen und durch den Blutverlust schwächen durfte.
Der Kienshi-Senator würde kommen. Jonathan würde kommen.
Jamian brauchte jeden Tropfen Blut, wenn er dies überleben wollte.
Doch ihre Vernunft wurde bereits von frenetischen Fantasien bezwungen, angefacht von seiner Nähe und seinem Geruch. Zwingend drängte sich ihr die Vorstellung auf, wie sie dem Druck einfach nachgab. Sie würde grob in seine Haare greifen, seinen Kopf in den Nacken ziehen und ihre Zähne in seinen Hals schlagen. Die Vorstellung von heißem, salzig-süßem Blut in ihrem Mund, in ihrem Rachen und schließlich tiefer in sich. Sein Blut. Viel Blut. Überall, in jeder Faser ihres Körpers.
Erneut versuchte sie, die erregenden und beschämenden Gedanken zu verbannen.
„Mach mir nichts vor“, sagte Jamian leise und peitschte damit ihre niederen Instinkte nur weiter an. „Ich mag einigen Ammenmärchen über euch aufgesessen sein, aber dass ihr Blut trinkt , weiß ich zufällig sehr genau.“
Sie schnaubte als Antwort.
„Laine, es geht dir schlecht, das sieht ein Blinder. Streite nicht ab, dass es helfen würde.“
Dass sie ihre Augen zupresste , wurde ihr erst bewusst, als sie erneut und völlig unvermittelt seine Haut an ihrer spürte. Finger an der Seite ihres Halses, die in ihren Nacken strichen. Dann wieder eine Berührung an ihren Lippen. Warm und fest. Es pochte unter ihrer Oberlippe. Laine spürte ihren Atem zischend und stoßweise ein- und ausströmen. Schmerzhaft und außerhalb ihrer Kontrolle. Sie packte mit beiden Händen nach dem Arm, der sich ihr darbot. So heftig, dass er leicht zurückzuckte. Ihre Hände hielten seine
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