Stolen Mortality
ihn dafür kastrieren würde. Die Enge fühlte sich grässlich an. Zwang ihn, seine Füße gegen die Innenverkleidung zu drücken , bis es knirschte. Er brauchte mehr Luft. Mehr Platz.
Sinead schaltete Musik ein, gedämpft drang sie zu ihm hindurch. Dass es ausgerechnet eine depressive CD von Placebo sein musste, gefiel ihm nicht, aber er blieb still, konzentrierte sich auf den Text und trommelte mit den Fingern auf seinen Knien.
Zwei Songs vergingen, bis der Wagen langsamer wurde und schließlich stehen blieb. Sie waren am Tor angelangt und Jamian hielt endgültig den Atem an. Die Luft wurde ohnehin stickig. So musste es sich anfühlen, lebendig begraben zu sein. Unsterblichkeit war bei derlei Fantasien kein Vorteil.
„Sie fahren schon wieder nach Hause, Senatorin?“, fragte einer der Wachmänner. Erleichtert stellte Jamian fest, dass seine Stimme freundlich klang, kein Misstrauen war zu vernehmen.
„Ja, ich habe nur etwas bei meinem Vater abgeholt“, gab Sinead zurück. Jamian konnte ihr Schmunzeln hören, auch das beruhigte ihn ein wenig. Die Männer hier wussten nichts von Sineads eigentlicher Aufgabe. Vermutlich wussten sie von überhaupt nichts. Bislang war die Flucht unbemerkt geblieben, sonst wären die Wachen am Tor sicher längst informiert, niemanden durchzulassen.
Jamian wagte , leise aufzuatmen, als der Bentley wieder anrollte. Sinead gab Vollgas und raste eine Weile die Straßen entlang. Es schien ihm ewig zu dauern , bis sie endlich links ran fuhr, ausstieg , und ihn befreite.
„Du liebe Güte, wie sieht du denn aus?“ Sinead fuhr ihm durch die Haare. „Du bist ganz grün im Gesicht und total verschwitzt.“
Er wischte sich mit dem Ärmel durchs Gesicht. „Ist warm da drin.“
„Du magst es eher kühl, ich weiß.“
Beklemmung durchfuhr ihn, weil sie so schnippisch klang. Es war klar, auf wen sie anspielte. „Sinead, du willst es nicht hören, aber was ich über Laine sagte, meinte ich ernst.“
„Komm, lass gut sein, bevor es peinlich wird.“ Sinead setzte sich wieder hinters Lenkrad. Jamian ließ sich auf den Beifahrersitz fallen und kontrollierte seine Kehle im Schminkspiegel. Da würden ein paar hübsche Hämatome zurückbleiben . Wie immer fuhr Sinead zu schnell, doch anders als im Mini bemerkte man von der Geschwindigkeit kaum etwas. Wie eine geschmeidige schwarze Katze huschte der Bentley durch die Nacht.
Erschöpfung hüllte Jamian ein wie süßer Rausch, der sich harmlos gab und ins Verderben lockte. Er schloss für ein paar Atemzüge die Augen, fiel in Sekundenschlaf und sah sogleich Laine in kurzen Traumfetzen. Er schrak hoch.
Wo sie wohl war? Es machte keinen Sinn, nach ihr zu suchen, wo sollte er auch anfangen? Anrufen konnte er sie nicht, ihr Akku war leer. Er musste davon ausgehen, dass sie zurück nach Inverness gegangen war; im besten Fall, um am nächsten Tag ihr Auto abzuholen. Im schlechtesten Fall würde sie stattdessen einen Flug nehmen und verschwinden.
Bei diesem Gedanken zog sich sein Brustkorb zusammen. Noch schlimmer war die Vorstellung, dass sie Robert noch einmal über den Weg lief. Sein Kopf war schwer, er lehnte die Stirn an die Scheibe.
Sorgen halfen ihr nicht weiter. Laine konnte auf sich aufpassen und musste ihre Wege selbst wählen. Sie wäre kaum so alt geworden, wenn sie es nicht könnte, schließlich lebte ein Vampir nicht ungefährlich. Er konzentrierte sich auf die vorbeirasende Landschaft im fahlen Mondlicht und den sternenklaren Himmel.
„Was machen wir jetzt?“, fragte er, nachdem sie kilometerweit in Richtung Norden gefahren waren und seine Gefühle den Gedanken Platz schufen. „Er wird uns suchen lassen.“
„Jamie, ich bin nicht blöd.“ Sineads Stimme war fest, doch darunter klang sie niedergeschlagen. „Der Senat wird meinen Vater morgen noch von seinem Posten entheben. Dafür habe ich gesorgt.“
Er musste sich verhört haben, aber ihr starres Gesicht sah ehrlich aus. „Hast du die anderen Senatoren von der Prophezeiung wissen lassen?“
Sie lachte abfällig. „Damit der nächste Idealist genau so größenwahnsinnig wird? Damit mein Vater sein ganzes Leben im Gefängnis verbringen muss? Jamian, ich bitte dich! Was er getan hat, war falsch, ja. Aber er ist immer noch mein Vater.“ Ihre Lippen zuckten, als kämpfte sie gegen den Wunsch , zu fluchen. „Ich habe den Senat etwas wissen lassen, ja. Aber nicht die ganze Wahrheit.“
Er wagte kaum , zu atmen. „Sondern?“
„Den Senatoren ist bewusst, dass sowohl
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