Stollengefuester
deinem Laden?«
Maria Volta lachte ungläubig. »Spinnst du? Da müsste ich eine Eskorte haben. Tag und Nacht. Und das liegt bei der momentanen Wirtschaftslage nicht drin.«
Nore Brand schaute betroffen. »Also doch eher eine ungemütliche Sache.«
»Und wie. Aber wie kommst du eigentlich zu so einem Edelstein?«
»Ich muss noch schweigen. Noch. Wenn alles vorbei ist, erzähle ich dir alles. Bei einem Espresso.«
»Adriano’s?«, fragte Maria Volta.
»Adriano’s«, sagte Nore Brand bestätigend.
»Das werden wir ja sehen. Du scheinst neuerdings sehr beschäftigt zu sein in deiner Freizeit. Wie heißt er?«
»Jacques.«
»Schön für dich«, sagte Maria Volta mit einem Seufzer, »aber pass auf dich auf. Wenn dieser Edelstein wirklich aus Russland kommt, dann musst du dich warm anziehen.«
»Russland?« Nore Brand nahm das Steinchen und steckte es in die fünfte Jeanstasche. »Ja, Russland, das könnte passen.«
Maria riss die Augen auf.
»Bist du verrückt? Du kannst diesen Edelstein doch nicht einfach in deine Tasche stecken! Bist du von allen guten Geistern verlassen?«
»Soll ich etwa einen Tresor hinter mir herziehen für dieses Steinchen? Damit jeder sofort sieht, was …«
»Ich glaube, es gibt noch andere Möglichkeiten«, warf Maria Volta ein. »Als Polizistin solltest du das sowieso besser wissen. Ich hoffe, du weißt, was du tust. Ich habe nicht die geringste Lust, in Bälde an deine Beerdigung zu kommen. Übrigens, hast du dich für das nächste Klassentreffen angemeldet? Fünfundzwanzig Jahre Maturafeier …«
Da ging die Ladenglocke und der Briefträger walzte schwer beladen mit Paketen in den Raum.
Fünfundzwanzig Jahre Maturafeier! Manchmal wurden auch Alpträume wahr.
Der Briefträger räusperte sich laut. Das war der Moment für Nore Brand.
»Wie gesagt, du hörst von mir.«
Sie nickte Maria Volta zu und ging.
Eine Stunde später saß sie im Zug nach Basel. Es war neblig im Mittelland. Die Straßen waren vereist.
Nino Zoppa hatte sich, überglücklich mit einem Surf-Auftrag, in sein Büro verzogen und Bastian Bärfuss hatte darauf bestanden, Nore Brand zum Bahnhof zu begleiten.
Sie waren zu früh am Bahnhof. Es reichte für einen Espresso beim Spettacolo unter der Rolltreppe.
»Und? Müsste ich jetzt nicht doch etwas mehr wissen?«
»Ja, jetzt schon.«
Nore Brand erzählte Bastian Bärfuss in wenigen Sätzen, was er schon lange wissen wollte.
»Danke«, sagte er, als sie fertig war. »Endlich kann ich wieder etwas mitdenken. Ich weiß, dass du das gar nicht mehr brauchst. Und doch …«
Nore Brand schaute auf die Uhr.
Sie war ungeduldig. Die Ungeduld, die bei jedem Fall immer unvermittelt über sie kam. Dann begann der größte Kampf, der Kampf gegen sie selber.
Der Hoteldirektor war unter ungeklärten Umständen umgekommen, Anwalt Merian war vergiftet worden. Beide wussten vom Geheimnis von Klara Ehrsam. Im zweiten Fall wusste sie das ganz genau, im ersten konnte sie davon ausgehen.
Die Geschichte von den drei Toten drängte sich in ihre Gedanken. Elsi Klopfenstein, die recht behalten hatte.
Zwei waren tot.
Wer war der dritte?
Sicher einer der Geheimnisträger. Gehörte der Mörder zum Kreis der Eingeweihten?
Musste ein drittes Opfer her?
Jamais deux sans trois, hörte sie Jacques sagen. Aller guten Dinge sind drei. Das passte hier weniger. Jacques bezog den Spruch auf andere Dinge. Da verbeugte er sich ohne jeden Widerstand vor den Gesetzmäßigkeiten des Universums. Oder vor dem reinen Aberglauben.
Bei Elsi Klopfenstein handelte es sich dabei um ein und dasselbe.
Nore Brand wischte diese Gedanken weg.
Sie hatte mit ihren Basler Kollegen Kontakt aufgenommen. Sie waren bereits mitten in den Ermittlungen. Dass der Anwalt Opfer eines Mordanschlages geworden war, stand außer Zweifel.
Doch Elvira Merian bestand darauf, dass Nore Brand sich einschaltete.
Eineinhalb Stunden später saß sie im Wartezimmer von Anwalt Merian. Natürlich hatte sich nichts verändert. Erasmus hing so schief wie vor einem Jahr. Er nahm dies mit der ihm eigenen Gelassenheit hin. Dieser Mann, der in seiner ewigen, beneidenswerten Heiterkeit ruhte. Das gleiche Magazin, dasjenige, das vom Tod des vorletzten Papstes berichtet hatte, lag oben auf dem Stapel.
Nur eine Sache hatte sich verändert. Nore Brand musste dieses Mal nicht warten.
Kaum hatte sie sich hingesetzt, stand Elvira Merian im Türrahmen.
»Frau Brand, endlich, so kommen Sie doch!«, rief sie, machte kehrt und
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