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Stollengefuester

Stollengefuester

Titel: Stollengefuester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke Schnyder
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die Nacht flog.
    Es regnete in Deutschland. Der Regen prasselte auf das Dach und klatschte an die Fenster. Der Fahrtwind riss die großen Regentropfen auseinander, sie verzogen sich zu zitternden Strichen, die sich über die ganze Fensterscheibe ausdehnten.
    Das reinste Regentropfenmassaker.
    Sie machte das Licht aus.
    Der Zug legte sich in eine Kurve. Gelächter ertönte im Korridor, jemand schlug gegen ihre Tür. Ein wandelnder Passagier musste sein Gleichgewicht verloren haben.
    Nore Brand ließ sich in den Schlaf wiegen. Die Kurven drückten sie sanft von einer Seite zur andern, vom Kopfende zum Fußende.
    Sie schlief ein.
    Und erwachte irgendwann, weil es viel zu ruhig war.
    Der Zug stand in einem Bahnhof. Sie brauchte nicht hinauszuschauen. Sie erkannte die eiskalte nächtliche Bahnhofsbeleuchtung.
    Eine Frauenstimme ertönte aus einem Lautsprecher. Diese künstlichen Stimmen, hohl, körperlos, ohne Seele, nur ein Mund, der sich bewegte, für Informationen für unsichtbare Zugreisende.
    Sie sah die singende Puppe der Muppet-Show vor sich. Nur ihr Mund ging auf und zu. Haare wie ein Mop. Und kein Gesicht. Nore Brand versuchte, sich an den Namen dieser Puppe zu erinnern. Kermit, Fozzy, Piggy, Statler und Waldorf, die beiden Griesgrame vom Balkon, Gonzo und Camilla, sein Lieblingshuhn. Nur die singende Puppe blieb ohne Namen in ihrem Gedächtnis. Nino musste mal surfen für sie. Sie konnte sich nicht einmal an die Stimme dieses singenden Mops erinnern.
    Ein Ruck ging durch den Zug.
    Drinnen summte die Klimaanlage.
    Ihre Augen waren trocken und gereizt.
    Wie würde sie morgen aussehen? Sie würde diesem Plodowski so entgegentreten müssen.
    Unfrisch. Mit roten Augen wie ein Albinokaninchen.
    Auch wenn sie in diesem Bett ein paar Stunden schlief. Es war nicht der Schlaf, der notwendig war, damit man am folgenden Tag wachsam bleiben konnte.
    Plodowski. Auch er gehörte zu den ehemaligen Geliebten der Klara Ehrsam. Welche Rolle spielte er in diesem Drama? Waren auch seine Tage gezählt?
    Oder war er der geheimnisvolle Unbekannte? Der Bösewicht?
    Sie schlief wieder ein.
     
    Da riss sie ein Traum aus dem Schlaf.
    Sie war durch den Korridor gegangen. Sie spürte, dass ihr jemand auf den Fersen war, jemand ging unangenehm dicht hinter ihr. Sie wollte sich umdrehen, aber es gelang ihr nicht. In diesem engen Korridor hatte sie nicht die geringste Möglichkeit, sich umzudrehen. Sie war gefangen, kam nur mühsam vorwärts. Sie schwitzte, hatte mit der Angst zu tun, wollte rascher gehen, doch die Beine waren schwer, versagten, und dann schreckte sie hoch!
    Mühsam wickelte sie sich aus den Bettlaken. Sie hatte sich in ihrer Unruhe so eingerollt, dass sie sich kaum mehr bewegen konnte.
    Sie tastete nach dem Licht und setzte sich aufrecht hin. Plötzlich begann sie, nach ihrer Hose zu suchen.
    Der Edelstein war drin. Erleichtert ließ sie sich zurückfallen.
    Im Korridor war es still.
    Und wieder ging’s los. Das regelmäßige Rattern des Zuges, die leise Vibration, hin und wieder ein leichtes Holpern.
    Sie versuchte, wieder zur Ruhe zu kommen.
    War noch jemand unterwegs zu Plodowski?
    Wer nach Basel gereist war, um den Anwalt Merian zu töten, konnte nun auch unterwegs sein, so wie sie, zu Plodowski.
    Sie erinnerte sich an Merians Worte. »Außer Ihnen, liebe Frau Brand, diesem Fossilienprofessor und mir weiß kein Mensch auf dieser Welt, was unsere Freundin Klara angerichtet hat.«
    Jetzt war Merian tot. Einer von den drei Geheimnisträgern.
    Warum war der Hoteldirektor tot?
    Das schien nicht ins Puzzle zu passen.
    Oder doch? Er war ein alter Freund von Klara Ehrsam.
    Nore Brands Gedanken kehrten immer wieder zu Plodowski zurück. War er in Gefahr oder ging die Gefahr von ihm aus?
     
    Als sie aufwachte, sah sie durch das Wagenfenster direkt auf eine blaue Tafel. Emmerich.
    Sie mussten kurz vor der holländischen Grenze sein. Sie setzte sich auf, hob den Zugbegleiter vom Boden auf und warf einen Blick auf die Uhr. Viertel nach sieben.
    Der Zug hatte keine Verspätung, und sie würde nicht mehr einschlafen. Ihr blieb genügend Zeit, sich zu entfalten und sich dann etwas herzurichten, bevor sie dieser unbekannten Stadt entgegentrat. Sie schlang die Decke um sich und schaute aus dem Fenster. Uniformierte Zollbeamte eilten vorbei.
    Dann fuhr der Zug wieder an.
    Der Schaffner klopfte energisch an die Tür des Abteils nebenan und rief etwas.
    Draußen war es dunkel. Es regnete immer noch. Diese Masse von dunklen Wolken. Sie

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