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Stollengefuester

Stollengefuester

Titel: Stollengefuester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke Schnyder
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werde ich den ganzen Tag nicht mehr aus meiner Haut wegbringen.«
    »Wie der Zug?«
    »Ja, genauso muffig.«
    »Warte nur, sobald wir draußen sind, ändert sich das schnell. Es sieht so aus, als ob es ziemlich windig wäre.«
    Nino Zoppa schaute hinaus.
    »Bei uns gibt es immer etwas zu sehen. Hügel, Felsen, Berge, Wälder. Schau mal, wie tief der Horizont ist. Der ist nicht höher als meine Zehennägel.«
    Er dachte nach.
    »Und so viel Himmel. Was hat man denn von so viel Himmel?«
    Nore Brand hatte das eingepackte Irgendetwas ausgepackt. Es roch süßlich. Ähnlich wie der Zug. Sie biss hinein. Wer weiß. Doch so übel war es nicht.
    »Wenn Jacques das wüsste …« Er wies auf das Knisterpapierchen.
    »Er weiß es«, erwiderte sie kauend. Nein, so übel war das nicht. Aber der Kaffee verdiente seinen Namen nicht.
    Nino schaute wieder aus dem Fenster. Die Leere über dieser Landschaft machte ihn minutenlang sprachlos.
    »Amsterdam ist eine Millionenstadt, nicht wahr? Mit hohen Häusern und so.«
    »Nicht Millionen. Nur fast eine Million.«
    Er atmete auf. »Immerhin.«
    »Hier, in diesem Stadtführer, steht, dass Amsterdam ähnlich gebaut wurde wie Venedig. Das ist doch etwas, oder?«
    »Für dich vielleicht. Aber mir nützt das nichts. In Venedig war ich auch noch nie.« Er schob das Büchlein zur Seite. »Hast du noch etwas über den Fall nachgedacht?«
    Sie nickte kauend. »Der Fall denkt mittlerweile ganz von selber in mir. Ich brauche gar nichts mehr tun.«
    »Das ist ein gutes Zeichen. Und? Gibt’s Neuigkeiten? Etwas, was ich wissen müsste?«
    Nore Brand schüttelte den Kopf. »Nichts Neues. Immer das Gleiche, immer wieder von vorn. Ich vermute eine verklemmte Repeat-Taste in meinem Gehirn.«
    »Das mit den verklemmten Repeat-Tasten muss am Zug liegen, dieses ewig gleiche Rattern, alles beginnt immer wieder von vorn«, sagte Nino.
    Nore Brand hatte beschlossen, die Vermutung, dass außer ihnen beiden noch jemand zu Plodowski unterwegs war, für sich zu behalten.
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    1 Schweizerdeutsch für Großmaul

Begegnung mit Professor Plodowski
     
    »Baustellen, nichts als Baustellen. Das ist ja wie zu Hause«, stellte Nino Zoppa zufrieden fest, als sie aus dem Bahnhofsgebäude traten.
    Über der hohen, grauen Bretterwand erhob sich eine wilde Wolkenlandschaft. Der Wind blies heftig und es war kalt. Schlechter Schlaf und Kälte war eine unangenehme Kombination. Die Wirkung würde sich im Laufe des Tages intensivieren.
    Nach einigem Hin und Her fanden sie einen Durchgang zur Stadt.
    »Komm«, rief Nore Brand, »wir machen ein paar Schritte, das tut gut nach dieser Nacht.«
    Nino Zoppa hatte die Kapuze über den Kopf gezogen und trottete hinter ihr her.
    Vor dem ersten Zebrastreifen wurden sie von einem heftigen Knattern aus ihren Gedanken gerissen.
    Nino Zoppa hüpfte erschrocken zur Seite.
    »Was ist denn das?«
    Es tönte, als ob eine wild gewordene Schar von Spechten auf die Ampeln einhackte und hämmerte.
    Nore Brand schaute sich um.
    »Keine Angst. Das ist für Sehbehinderte. Damit sie wissen, wann sie die Straße überqueren können.«
    Nino Zoppa setzte sich eben in Bewegung, als ein Fahrrad herangeschossen kam. Wie ein Schnellzug!
    »He!«, schrie er dem Fahrer nach. »Spinnst du? Ich bin doch nicht lebensmüde! Da versucht man einen ersten Schritt in diese Stadt zu tun und schon wird man zu Tode gefahren, und das von einem Fahrrad! Die haben hier etwas gegen Ausländer!«
    Nore Brand schlug den Kragen ihrer Jacke hoch. »Wir müssen uns warm anziehen. Maria Volta hat doch eine prophetische Ader.«
    »Wer ist Maria Volta?«
    »Eine Schulfreundin. Sie weiß allerhand Sachen.«
    »So? Was heißt da, allerhand Sachen?« Nino Zoppa schaute umher. »Du hast mir gesagt, dass wir in eine Millionenstadt kommen.«
    »Fast eine Million, habe ich gesagt.«
    »Ist doch egal. Jetzt sind wir da und ich sehe nichts. Nur rote Häuser und Kanäle.«
    »Das ist doch etwas.«
    »Ja, aber die Hochhäuser und die tollen Straßenschluchten, wo sind die?«
    Nino Zoppa trottete bitter enttäuscht neben ihr her, den Damrak hinunter Richtung Stadtzentrum.
    Beim erstbesten Restaurant blieb Nore Brand stehen.
    »Komm, ein richtiger starker Kaffee hilft vielleicht.«
    Nino Zoppa nickte erschöpft.
    Sie ließen sich in zwei Korbstühle fallen.
    Die Bedienung war sehr rasch zur Stelle.
    Ganz in Weiß. Ein Minirock, bei dem man, je nach Bedürfnis, verzweifelt nach mehr Stoff Ausschau hielt oder das Textilfetzchen wegwünschte. Und ein

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