Stollengefuester
genauere Informationen zurück, denn die Ermittlungen laufen noch.«
»Und Elvira hat Sie gebeten, mich zu besuchen. Warum das? Sie macht sich doch nicht etwa Sorgen um mich!«
Sie schaute ihn forschend an. »Oder wegen Ihnen.«
»Warum denn?« Er verwarf aufgeregt seine Hände. »Machen Sie Witze?«
Plötzlich erstarrte er. »Sie denkt doch hoffentlich nicht, dass ich etwas damit zu tun habe!« Er gluckste. »Frau Elvira scheint mir ja allerhand zuzutrauen. Den scharfen Geist würde ich ihr nie absprechen. Ich habe meinem Freund Heinrich immer gesagt, er solle seine Schwester arbeiten lassen. Das wäre wunderbar für seine Kanzlei. Doch das wollte er nie hören. Und wissen Sie, warum?«
Er machte eine Kunstpause. Natürlich konnte keiner seine Fragen besser beantworten als er selber. Das bedeutete jedoch nicht, dass er aus diesem Grund unsympathisch war.
»Sie war schon immer besser als er. Klüger. Deshalb hat er sie als seine Sekretärin angestellt. Will sie sich jetzt rächen für ihr Schicksal?«
Er schüttelte wild seinen Kopf.
»Aber ich bin kein Mörder. Ich kann Ihnen auch nicht weiterhelfen. Glauben Sie mir, ich arbeite seit zehn Tagen unablässig hier im Museum. Meine Ausstellung wird am Sonntag feierlich eröffnet. Botschafter werden anwesend sein, der Kronprinz und seine charmante Frau. Ich freue mich sehr darauf. Sie wissen, dass die Niederlande ein langes und tiefes Verhältnis mit Russland pflegen. Zar Peter der Erste hat hier gelernt, wie man Schiffe baut, und er war nicht der Einzige, aber es war der Anfang einer wunderbaren kulturellen und wirtschaftlichen Beziehung. Hier erfasst mich tatsächlich wieder die Sehnsucht nach der Monarchie«, seufzte er laut auf. »Unsere Präsidenten versuchen immer wieder, Monarchen zu spielen. Aber ihnen fehlt die Eleganz dabei und das Charisma, das eine lange Vergangenheit mit sich bringt. Unsere Präsidenten haben leider die üble Gewohnheit, Arroganz mit Würde zu verwechseln.« Er brach ab. »Mit einer Ausnahme, mit einer einzigen Ausnahme. Es gab immerhin eine Ausnahme.«
Er schaute Nore Brand prüfend an.
»Ich kann Gedanken lesen. Ich weiß, dass Sie an den gleichen Mann denken wie ich. Er war der einzige wirkliche Staatsmann. Leider musste er gehen. Er hatte sich selbst überflüssig gemacht. Weil die Geschichte das so wollte und er das Schicksal akzeptierte. Jeder seiner Nachfolger versuchte, ein Staatsmann zu sein, aber bisher scheiterte jeder von ihnen. Aber Sie sind wohl nicht hier, um mit mir über Politik zu reden, Frau Kommissarin.« Er schaute sie durchdringend an. »Sie glauben doch nicht etwa, dass ich meinen Freund Heinrich vergiftet habe?!«
Nore Brand hielt seinem Blick stand und schwieg.
Er hob tadelnd den Zeigefinger. »Ich sehe, Sie wollen diesem alten Professor aus Russland nicht vertrauen!«
Er warf sich in die Brust.
»Sie müssen mir aber glauben! Ich bin Vladimir Plodowski. Ich habe mein Leben der Kunst und der Geschichte der Schönheit geweiht.« Er wiegte übermütig seinen Kopf hin und her. »Gut, gut. Zugegeben. Mal war ich Monarchist, mal war ich Kommunist, vielleicht bin ich jetzt Kapitalist. Was spielt das für eine Rolle, wenn man das Leben liebt und die Kunst, die die Menschheit hervorgebracht hat? Das Politische ist doch reine Maskerade. Mal so, mal so. Das sind bloß die großen Kostümfeste der Geschichte, liebe Frau Kommissarin. Vladimir ist Vladimir. Im Grunde meines Wesens war ich immer derselbe Mensch.« Er schaute ihr innig in die Augen. »Bitte, schenken Sie einem alten Professor und Kunstliebhaber Ihr Vertrauen.«
Dieser Mann würde mühelos stundenlang auf sie einreden. Er würde mit seinem Gerede mühelos alle Klippen umschiffen und davon gab es vermutlich einige in seiner Lebensgeschichte. Doch je länger er von seiner Vertrauenswürdigkeit sprach, desto größer wurde ihr Misstrauen.
Sie atmete auf, als plötzlich die Tür aufging und eine junge Frau ihren Kopf durch den Türrahmen streckte.
»Kop Koffie?«, fragte sie freundlich.
Der Professor nickte hocherfreut. Er wandte sich an Nore Brand. »Sie sicher auch?«
»Gerne, ja.«
»Erkenne ich in Ihnen eine Kaffeeliebhaberin?«, fragte Plodowski interessiert, als die Tür hinter der jungen Frau sachte wieder zuging.
Sie nickte lächelnd. Bis jetzt hatte sie nicht den geringsten Anlass, unfreundlich zu sein.
Er nahm ihre wortlose Reaktion euphorisch auf.
»Oh, die Liebe zum Kaffee ist auch in diesem Land groß, aber meine Güte, diese
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