Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stollengefuester

Stollengefuester

Titel: Stollengefuester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke Schnyder
Vom Netzwerk:
Fossilienprofessor schaute sie forschend an.
    »Ich würde mich gerne noch etwas mit Ihnen unterhalten.« Er überlegte. »Am Mittag muss ich rasch ins Hotel zurück, um mich etwas aufzufrischen. Der Sekretär der Königin will mich sehen. Das Eröffnungszeremoniell muss genau abgesprochen werden. Dann muss ich wieder hier sein. Warten Sie doch um vier, nein, besser gegen halb fünf im Café Neva auf mich. Wir könnten uns dort für eine Tasse Tee treffen, ich werde schauen, dass ich mich für ein paar Minuten befreien kann. Oder nein. Auf dem Weg zur Tramhaltestelle Waterlooplein gibt es ein nettes Café. ›De Knijp‹ heißt es. Warten Sie dort auf mich. Um halb fünf werde ich da sein.«
    Sie nickte und erhob sich. Kurz vor der Tür drehte sie sich wieder um. Das hätte sie beinahe vergessen.
    »Herr Professor, Ihre Ausstellung letztes Jahr in St. Petersburg sollte doch ursprünglich Ihre letzte sein, habe ich gehört. Warum haben Sie …«
    »Wer hat das Ihnen gesagt?«, unterbrach er sie. »Wer?«
    Er starrte sie erwartungsvoll an.
    Sie schwieg.
    »Frau Brand, es ehrt mich, dass Sie die Mühe nicht gescheut haben, nach Amsterdam zu kommen. Aber mir scheint, nein, ich weiß sicher, es war doch ein großer Umweg, oder«, er fuhr sich über die Stirn, »ich hoffe doch für mich, dass Sie zurückfahren müssen, um die Antwort auf Ihre dringendste Frage zu erhalten. Gehen Sie jetzt, bitte. Wir haben später noch Zeit.« Er wirkte plötzlich sehr müde.
    Nore Brand wollte zu einer Frage ansetzen. Sie war nicht klug geworden aus seinen letzten Worten. Aber er wehrte ab.
    »Später, liebe Frau Brand, später, so wie wir abgemacht haben. Vergessen Sie nicht, das Café heißt ›de Knijp‹, K-N-I-J-P«, buchstabierte er, »weiß der Kuckuck, wie man das ausspricht!«
    Er hatte sich bereits wieder hingesetzt und schien sie auf der Stelle zu vergessen.
    Also ging sie. Plodowski hatte sich angehört wie Heinrich Merian. Die gleiche Sprache, die Rhetorik seiner Generation.
    Sie versuchte, sich an seine Worte zu erinnern. Was hatte er nur gemeint? Er schien verwirrt. War es ihr Besuch gewesen? Diese kyrillischen Zeichen?
    Vor allem: Wer hatte ihn angerufen?
     
    Nino Zoppa war nicht im Restaurant.
    Er wollte sich nur etwas umsehen, hatte er gesagt.
    Sie verließ das Gebäude durch den Ausgang, der an die Amstel führte.
    Ihr Blick glitt über das große Holzdeck zum Wasser hin. Zu den Bänken unter den Bäumen. Dort sah sie Nino kauern.
    Wie schmächtig er aussah aus der Ferne. Rasch ging sie zu ihm hin.
    »Hatten wir nicht im Restaurant abgemacht, im Café Neva?«
    »Schon. Aber ich musste raus, an die frische Luft.«
    »Nino, ist dir nicht gut? Ist was?«
    »Nichts! Ich bin nichts als hundemüde und das wird sich heute sicher nicht mehr ändern.«
    Er wandte sich ab und schaute einem Rundfahrtschiff nach, das ganz nahe vorübertuckerte.
    Sie folgte seinem Blick. Die Touristen knipsten Bilder und kauten Brötchen, eine weibliche Stimme erklärte auf Englisch die Stadt. Diese Brücke heiße so, die dort drüben heiße leider anders, aber bei so vielen Brücken müsse jede anders heißen. Die Touristen lachten und applaudierten.
    »Und? Wie ist er, dieser Explodowski?«
    Sie setzte sich zu ihm und schaute auf das Wasser, auf die braunen Herbstblätter, die auf den Wellen schaukelten. Im Rücken die Hermitage, die Filiale von St. Petersburg. Das passte. Gut sogar.
    Das Rundfahrtboot verschwand lautlos im nächsten Kanal.
    Außer dem Kreischen einer Möwe und dem Gelächter von zwei Kindern auf einem Hausboot war kaum etwas zu hören, nur das friedliche Summen der Stadt auf der andern Seite des Wassers.
    Spielzeughäuser unter einem riesigen Himmel. Herausgeputzt, im frischen Sonntagskleid. Umgeben von Wasser und Wind.
    Wie war es möglich, dass sie eben, für einen ganz kurzen Augenblick, an Venedig gedacht hatte?
    Nore Brand wollte eben mit ihrem Bericht ansetzen, als Nino aufsprang. »Komm, suchen wir unser Hotel! Es ist ungemütlich hier.«

Nore Brand braucht frische Luft
     
    Der schlaksige Mann ging ihnen über eine schmale, steile Treppe voraus. Die Holzstufen ächzten unter dem dicken roten Teppich.
    Er blieb vor der ersten Tür stehen. »Hier«, lachte er und wies auf den Rahmen.
    »Da hat einer die Tür eingerammt, weil er die Sache mit dem Kärtchen nicht kapiert hat. Kurz hinhalten, dann leuchtet das grüne Lämpchen auf und man kann die Türe öffnen.« Er demonstrierte es kurz. »Nichts leichter als das, aber es

Weitere Kostenlose Bücher