Stolperherz
mit meinen Lippen ein lautloses »Danke« in Flockes Richtung. Er antwortete mit einer pantomimischen Verbeugung und einem stummen »Danke dir!« , und ich musste dann doch lächeln.
Nie und nimmer hätte ich mir vorstellen können, in so einer Situation derart zu reagieren, während mein Herz gleichzeitig beinahe zu explodieren schien, mir schwindelig wurde und mein Kopf fast platzte.
Hatte ich da gerade tatsächlich einer Sommerferien-Band-Tour zugesagt – einfach so?
Bei dem Gedanken, wie hysterisch meine Mutter mich ansehen würde, wenn ich ihr erzählte, was ich vorhatte, grinste ich innerlich. Natürlich kam das nicht infrage, ich musste das irgendwie anders regeln. So etwas Unglaubliches war mir noch nie passiert und es würde mir sicher nicht noch mal passieren. Nein zu sagen hätte in etwa so viel bedeutet, wie das Erbe von Queen Mum abzulehnen, oder zu einem Treffen mit Robert Pattinson wegen leichter Kopfschmerzen nicht zu erscheinen. Ich musste mit, das stand außer Frage. Nur wie ich das anstellen sollte, das wusste ich noch nicht.
»Okay, Cut für heute«, sagte Tobi und klatschte in die Hände. »Morgen wird ein langer Tag, da müssen wir fit sein.«
Die Jungs verstreuten sich und ich sah keinen Grund, länger zu bleiben. Wenn ich die irrwitzige Idee, mitzukommen, Wirklichkeit werden lassen wollte, musste ich packen. Oh Gott: Was bloß? Was zog man an, wenn man eine Art Groupie sein sollte? Und ich musste mir eine glaubwürdige Geschichte für Lisa ausdenken, etwas, das sie mir ohne Zweifel abnehmen würde, und das war eine ganz schön große Herausforderung.
Allerdings hatten selbst Tommy und Annika es geschafft, ihren Eltern zu verklickern, dass sie mit Pippi Langstrumpf abhauen mussten. Wie, daran konnte ich mich ärgerlicherweise nicht mehr erinnern. Aber wenn so was selbst ein paar Achtjährige mit Mittelscheitel hinbekamen, sollte ich das wohl auch schaffen.
Allem voran stellte sich jedoch folgende Frage: Wie würden die Wochen mit den Jungs in den beiden kleinen Tourbussen von Crystal aussehen?
Was erwartete man da von mir?
So langsam bekam ich doch Angst vor meiner eigenen Courage – wobei ich mir gar nicht so sicher war, wie mutig ich eben gewesen war. Ich hatte Tobis Spruch nicht ernst genommen, vielmehr hatte ein Wort das andere ergeben. Würde ich mich morgen wirklich in aller Frühe hinausschleichen und den Mut besitzen, in das wohl größte Abenteuer meines Lebens zu starten? Genauso gut könnte ich morgen früh auch im Bett liegen bleiben und so tun, als wäre nichts gewesen, als hätte dieses Gespräch hier nie stattgefunden. Allerdings würde ich mich dann natürlich nie wieder unter die Augen der Jungs von Crystal trauen, ach was, ich könnte mir nicht mal mehr selbst unter die Augen kommen.
Während ich langsam nach Hause lief, nicht ohne von einem Flocke verfolgt zu werden, der »Sanny Traumfrau, warte auf mich!« hinter mir herrief, kreiste ich im Kopf immer weiter um die Entscheidung, die jetzt anstand.
Ja, es war verrückt.
Gerade ich, der größte Hosenschisser des Universums, sollte mit auf eine so verrückte Reise kommen.
Gerade ich, Sanny Tabor, das unmutigste Mädchen der Welt.
In den unzähligen Büchern, die ich gelesen hatte, hieß es immer, man solle seinem Herzen folgen, was ich für totalen Mist hielt. Denn dann würde die ganze Welt stillstehen: Jeder zweite Junge in unserer Schule würde seine komplette Zeit damit verbringen, Kiras Lächeln zu bewundern, während der Rest mit Michelles Dekolleté beschäftigt wäre. Ich würde Greg dabei beobachten, wie er sich die Haare hinters Ohr strich oder gedankenverloren ins Nichts starrte. Und meine Mutter würde den ganzen Tag nur noch Vitamin-C-haltige Nahrungsmittel zerschnipseln. Aber in diesem aktuellen Fall konnte es sein, dass an diesem Ratschlag doch etwas dran war. Ich folgte meinem angeknacksten Herzen, welches mir sagte, dass ich diese Unternehmung machen musste, dass es einen Sinn hatte.
Und wenn sich das alles als eine katastrophale Fehlentscheidung entpuppen würde, könnte ich mich immer noch und jederzeit in den Zug nach Hause setzen; genug Erspartes hatte ich.
Ich würde es tun – ich würde mitfahren!
Mir fiel ein Satz ein, den Großtante Lilo zu mir gesagt hatte, als ich noch sehr klein war. Sie passte an dem Tag auf mich auf und ich sollte Fahrradfahren lernen. Ich hatte eine Heidenangst, das erste Mal ganz ohne Stützräder zu fahren und zudem Panik vor dem Verkehr auf der Straße vor
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