Stolperherz
süßliche Geschmack der Limonade die Kehle herunterrann. Aus einem unerfindlichen Grund schmeckte diese Fanta so gut wie noch nie zuvor.
8. KAPITEL: L IVING R OOM
Nach einer langen Nacht auf einem Sofa zusammen mit Flocke – Michelle hatte sich selbstlos und hinterhältig grinsend für das zarte Pflänzchen unserer angeblich jungen Liebe eingesetzt – war ich wirklich froh, als die Morgendämmerung anbrach. Flockes unüberhörbares Schnaufen im Tiefschlaf erinnerte mich schwer an die A1 Peppercorn , eine britische Dampflokomotive aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie wurde nach dem Entwurf des letzten Chefkonstrukteurs der London North Eastern Railway Arthur Henry Peppercorn gebaut und ich hatte sie mir mal mit Paps zusammen auf einer Ausstellung angesehen.
Für das Frühstück wählten wir den Fast-Food-Laden um die Ecke, der auch gefüllte Croissants, Rührei mit Bacon und Muffins à la Sausage & Egg anbot. Ich entschied mich, meinen Ernährungssupergau zu zelebrieren, und bestellte Rührei mit Bacon, einen Muffin Sausage & Egg und dazu einen starken Kaffee. Zu Hause würde ich jetzt Vollkorn-Cerealien oder wahlweise Obstsalat mit Joghurt und frisch gepressten O-Saft in mich hineinzwängen, und allein die Tatsache, dass ich hier nicht vierundzwanzig Stunden unter Ernährungsbeobachtung stand, schien meinen Appetit auf dieser Reise verdoppelt zu haben.
»Haut ganz schön rein, die Kleine«, kommentierte Schleicher mein vollgeladenes Tablett, während Kira und Michelle mit »einmal Rührei ohne alles« zurück zum Tisch kamen.
»Meckt mir meben«, antwortete ich kauend.
»Hä?«
»Sorry«, sagte ich, nachdem ich einen großen Bissen des Muffins heruntergeschluckt hatte, »es schmeckt mir eben.«
»Das sieht man.«
»Ich mag Frauen, die essen«, meldete sich nun auch Lex mit einem Blick Richtung Kira und Michelle zu Wort, die sich ihr Rührei teilten und wie Spatzen darin herumstocherten. »Nichts ist abturnender als irgendwelche Diät-Chicks.«
»Ich hab nix gegen Diät-Chicks«, sagte Tobi mit einem Blick auf Michelles wie immer freizügiges Dekolleté grinsend, »Hauptsache Chicks!«
Jetzt lachte auch Greg mit, der sich bisher herausgehalten hatte.
»Nä, Diät-Chicks sind nix!«, kommentierte Flocke ungefragt und mampfend das Ganze. »Die Liebe geht schließlich durch den Magen!«
Ich unterdrückte einen mittelschweren Lachflash, denn wenn man sich Flocke so ansah, ging da anscheinend eine ganze Menge Liebe durch den Magen. Allerdings blieb mir das Lachen direkt im Hals stecken, als mich Michelles vernichtender Blick traf. Ich vermutete, dass sich mein Stand bei ihr nach dieser Szene nicht unbedingt verbessert hatte. »Lieber Diät-Chick als Super-Freak «, raunte Michelle Kira zischend zu, laut genug, dass ich es hören musste. Ich sagte nichts dazu, für ein Wortgefecht mit Michelle war ich noch nicht bereit. Die guten Antworten fielen mir sowieso immer erst ein, wenn es zu spät war. Irgendwann würde ich Michelle schon noch die Stirn bieten, dachte ich, und wenn es gut lief, war das noch in diesem Jahrhundert.
*
Die Fahrt nach Hildesheim, dem nächsten Auftrittsort für Crystal, war entspannt und ich genoss es, mit Lex über unsere Lieblingsschriftsteller, Schriftsteller im Allgemeinen, generell über Bücher und über ganz spezielle Bücher zu sprechen. Flockes Kommentar »Mein Lieblingsbuch ist ja Der unglaubliche Hulk !« überhörten wir augenzwinkernd.
Lex und ich waren uns schnell einig, dass wir Axolotl Roadkill für überschätzt hielten, Salingers Fänger im Roggen der ewige Klassiker bleiben wird und die Protagonistin Loretta in Die Anstalt der besseren Mädchen kaum zu ertragen war. Es war wie ein gegenseitiges In-Rage-Reden, wir spielten uns Zitate und Textauszüge zu wie Bälle auf einem Tenniscourt. Lex hatte ein unglaubliches Gedächtnis und er schlug mich um Längen, was mich nachhaltig beeindruckte. Aber schließlich gelang es mir, ihn richtig ins Grübeln zu bringen.
»›Books are the ultimate Dumpees: Put them down and they’ll wait for you forever; pay attention to them and they always love you back . ‹ Von wem?«, forderte ich Lex heraus.
»Ich kenne mich vielleicht nicht so gut mit Büchern aus, aber dafür mit anderen Dingen. Pfannkuchen zum Beispiel«, mischte sich Flocke ein.
»Hm, lass mich kurz überlegen«, antwortete Lex, »ich komme gleich drauf!«
»Es gibt normale Pfannkuchen, auch Eierpfannkuchen oder Palatschinken genannt. Man kann sie mit
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