Stolperherz
ein Mädchen in einem gelben Zitronenfalter-Sommerkleid mit roten Chucks gesehen. Und mit roten Haaren.«
»Rot und Gelb harmoniert eigentlich ganz gut«, erklärte ich verlegen und suchte beim Reden nach Worten, »schließlich ergibt es Orange …«
Oh Gott! Ich sollte mir den Mund zukleben, es kamen nur peinliche Sachen da raus, die überhaupt keinen Sinn ergaben! Warum bloß kriegte ich in Gregs Anwesenheit kein vernünftiges Wort über die Lippen?
Greg lachte. »Ah ja. Also mir gefällt es jedenfalls. Du siehst … gut aus. Anders, aber gut. Steht dir, Red.«
Jetzt war mein Kopf wahrhaftig orange geworden und meine Farbentheorie ging tatsächlich auf.
Greg hatte gesagt, dass ich ihm gefiel. Ich war so sprachlos, dass ich stumm neben ihm hertrottete. Ich konnte es nicht fassen, dass er das wirklich gesagt hatte. Am liebsten wäre ich ihm um den Hals gefallen, hätte ihm gestanden, wie glücklich ich gerade jetzt in diesem Augenblick war, und wie unfassbar wunderschön ich ihn fand.
In diesem Moment war ich zum ersten Mal in meinem Leben wirklich froh darüber, dass ich kein spontaner Typ war, der gerne im Affekt handelte.
*
Meine Euphorie hielt exakt vier Minuten und sechsunddreißig Sekunden, nämlich genau bis zu dem Moment, als Tobi eine Runde Burger und einen Eimer Chicken Wings aus der Sammelkasse bestellte, und für alle Cola dazu.
»Für dich eine Fanta, richtig?«, fragte er, als er sich umdrehte. Großes Gelächter ging durch die Runde.
»Ja, danke.«
Dieser Running Gag würde mich noch mindestens bis zum Abitur verfolgen, dachte ich schwermütig, das war klar.
Die Burger sahen hervorragend aus und ich freute mich auf meine Portion vitaminloses Essen. Meine Ernährung stand im krassen Gegensatz zu dem, was ich von zu Hause gewohnt war, und ich konnte Flocke verstehen, dass er immerzu Burger aß, denn sie waren nun mal verdammt lecker. Ich aß still, während die anderen über den bevorstehenden Gig und das Uferlos redeten und überlegte dabei, was ich gleich alles meiner Mutter erzählen könnte, denn der allabendliche Anruf stand an. Umso mehr ich meinen Tagesablauf ausschmücken würde, desto weniger würde sie fragen, und das war mein Ziel. Und ich hatte auch schon ein paar Ideen, die sich sehr gut als so eine Art Ausschmückung machen würden, dachte ich, und biss beherzt in meinen Burger.
*
»Sanny! Kind, wie geht es dir? Ich habe schon den ganzen Nachmittag auf deinen Anruf gewartet!« Lisas Stimme klang tatsächlich aufgerieben, sie war also mal wieder schwer in Sorge.
»Alles paletti hier«, beruhigte ich sie, »mir geht es gut. Das war wirklich eine gute Idee von dir, äh, ich meine von euch, dass ich hierherkomme. Die Kur ist einfach …« Ich überlegte, wie ich weitermachen sollte – immerhin durfte ich nicht zu euphorisch klingen, denn das wäre untypisch und damit auffällig gewesen –, »… sie ist einfach gut. Wirklich okay.«
»Das freut mich so!«, antwortete meine Mutter und ich konnte ihre Erleichterung über hundertfünfzig Kilometer durch die Telefonleitung regelrecht spüren.
»Was macht ihr denn so tagsüber? Und wie ist das Essen? Und was sagen die Ärzte? Wie sind deine Werte? Hast du deine Medikamente regelmäßig genommen? Papa lässt dich übrigens grüßen, wann rufst du ihn denn mal an?«
Gefühlte hundert Fragen prasselten ohne Pause auf mich ein und ich bemühte mich, alle zu Lisas Zufriedenheit zu beantworten.
»Die Herzgruppe geht sogar zweimal in der Woche zehn Minuten im Meer schwimmen«, beendete ich meine Ausführungen schließlich, »das macht Spaß und ich komme ganz gut mit.«
»Das ist so schön zu hören«, sagte Lisa. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie ich mich freue, dass du endlich zur Vernunft gekommen bist. Ich meine, du hättest die Kur ja schon viel eher machen können, aber …«
»Schon gut«, unterbrach ich ihren einsetzenden Vortrag, auf den ich praktisch schon gewartet hatte, »nun bin ich ja hier.«
Ich war selbst erstaunt, welche Kaltschnäuzigkeit ich hier an den Tag legte, und ich wunderte mich auch darüber, wie strikt sich meine überbesorgte Mutter an unsere Abmachung hielt. Es war unausweichlich, dass sie allerspätestens zum Ende meiner Reise hinter mein Geheimnis kommen würde, denn die Krankenkasse würde die Kur ja nicht abrechnen. Aber darüber konnte und wollte ich mir keine Gedanken machen, denn im Moment zählte für mich nur das Jetzt.
»Kann ich nicht vielleicht doch mit deiner Ärztin … ich meine,
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