Stolperherz
während er den weißen Rauch langsam, und immer noch mit geschlossenen Augen, herausließ, »das ist das Tor zum inneren Frieden.«
Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich mit meiner Vermutung richtiglag, dass hier gerade nicht ganz legale Rauschmittel konsumiert wurden, tippte aber auf Gras. Lex reichte den Joint weiter an Greg, der ebenso mit geschlossenen Augen daran zog und diesen dann an Schleicher und Tobi weitergab. Auch Michelle zog daran, als täte sie nie etwas anderes. Kira dagegen war ihre Unsicherheit anzusehen, als sie einen kurzen Zug nahm. Als Nächster war Flocke dran, und ich konnte auch bei ihm ein Zögern erkennen, als er die Tüte entgegennahm.
»Heyjo, Brüder, das nenn ich mal ’ne Tüte, meine Güte!«
»Alter, du nervst«, kommentierte Schleicher Flockes Beitrag. Flocke nahm einen tiefen Atemzug und gab mit seinen aufgerissenen Augen dabei ein wirklich merkwürdiges Bild ab. Beim Ausatmen musste er ein wenig husten und Lex, der hinter ihm auf dem Sofa saß, klopfte ihm auf die Schulter. »Noch nie gemacht, Alter?«
»Klar, klar«, fiepte Flocke hustend, »Gras ist mein Gemüse!« Dass das gelogen war, hatte selbst Michelle gemerkt, die sofort anfing zu kichern.
»Naaa, Sanny, was ist mit dir?«, forderte sie mich heraus und deutete Flocke, mir die Tüte zu reichen. Wortlos nahm ich den Joint entgegen und betrachtete ihn aus der Nähe. Der Geruch nach verbranntem Gras stieß mich sofort ab, selbst das passive Einatmen fand ich abscheulich. Ich musste nicht lange überlegen und so reichte ich die Tüte kommentarlos weiter an Lex. Keiner der anderen gab einen Kommentar dazu ab, nur Michelle konnte es nicht lassen. »Unser Baby hier traut sich nicht, och wie süüüüß!«
Wobei sie das Wort Baby nicht englisch aussprach, sondern auf ihre besondere Art abwertend und eher wie Beeebiiii .
»Lass sie«, sagte Lex jetzt, »ich finde es sogar gut, dass Sanny feste Grundsätze hat.«
»Stimmt«, gab Tobi ihm recht, »so ist wenigstens einer von uns vernünftig.«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, ob das was mit festen Grundsätzen zu tun hat. Ich denke eher, dass ich das Zeug nicht brauche. Also nicht, um zu entspannen.«
Sofort kam mir dieser Satz schwer neunmalklug vor. Ich erinnerte mich selbst an meine eigene Mutter, die mich vor nicht allzu langer Zeit über illegale Genussmittel aufgeklärt hatte. Ich hörte mich tatsächlich an wie sie. Dabei stimmte es: Die Neugier, Marihuana auszuprobieren, war einfach nicht da bei mir, und selbst wenn sie da gewesen wäre, nach dem penetranten Gestank nach verbranntem Gras, der sich nun überall verbreitet hatte, wäre sie garantiert erloschen.
Ich sah mich nach einem Getränk für mich um, konnte aber nur den Bierkasten entdecken, der mitten im Raum stand.
»Hey, Red«, sagte Greg und deutete neben das Sofa, auf dem Lex und Tobi saßen. Ich traute meinen Augen nicht, als ich eine ganze Kiste Fanta erkennen konnte. Ich war sprachlos.
»Hast du … Ich meine, habt ihr extra …«, stotterte ich gegen die laute Musik an.
»Du magst doch Fanta, oder etwa nicht«, sagte Greg und sah mich fragend an.
»Ich liebe Fanta!«, entwischte es mir, was deutlich übertrieben war, aber ein Ausdruck meiner Freude und Euphorie über Gregs Aufmerksamkeit.
»Dann ist doch gut«, resümierte Greg und schloss seine Augen wieder, während er Tobi zuschnippte, ihm eine Flasche zu reichen, die er dann blind an mich weiterreichte. Ich war zu gerührt, um noch etwas sagen zu können, also beließ ich es bei einem schlichten »Danke«.
Ich war nicht unsichtbar, schoss es mir durch den Kopf, ich wurde gesehen, und zwar auch von Greg. Er hatte dafür gesorgt, dass ein ganzer Kasten Fanta nur für mich hier stand, denn niemand sonst trank das Zeug – auch Kira und Michelle nicht. Ein ganzer Kasten nur für mich allein – ich konnte es kaum glauben. Es war wie ein Geschenk, das Greg mir gemacht hatte, und auch wenn ich es mit meiner Begeisterung nicht übertreiben wollte – es war das so ziemlich schönste Geschenk, das ich je von einem Jungen bekommen hatte. Gut, es war auch das einzige, wenn man von Flockes selbst komponiertem Lied mal absah, aber das hatte er wohl eher für sich geschrieben. Der Kasten Fanta war wie ein Beweis, dass ich wirklich existierte, dass ich wirklich ein Teil dieser Gruppe war, wie eine Bestätigung für mein Dasein.
Der Kasten war das schönste Geschenk, das ich je bekommen hatte, dachte ich lächelnd , während mir der
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