Stolz der Kriegerin
meine Brosche gestohlen haben? Nur ich habe den Schlüssel zu meiner Kammer, und den habe ich nur diesem undankbaren Biest ausgehändigt, damit es bei mir sauber machen kann.«
»Hältst du sie für eine Närrin?«, fragte Rogon.
»Nein, sie ist im Gegenteil ein ganz durchtriebenes Geschöpf«, schäumte die Frau.
»Und dann glaubst du, sie hätte deinen Schmuck genommen, obwohl sie genau wusste, dass nur sie selbst als Verdächtige in Frage kommen würde?«
»Sie hat es getan!« Die Gutsherrin funkelte Rogon missbilligend an. »Rede mich gefälligst so an, wie es mir zusteht. Immerhin bin ich die Baronin dieses Landstrichs.«
»Würde ich dich so ansprechen, wie es dir gebührt, müsste ich mich selbst der Unhöflichkeit zeihen«, erklärte Rogon eisig. »Diese Frau hat deinen Schmuck nicht gestohlen. Wahrscheinlich hast du ihn nur verlegt.«
»Habe ich nicht! Ich hatte ihn heute Morgen herausgenommen und auf meinen Nachttisch gelegt, weil ich ihn am Abend tragen wollte. Da kommt nämlich meine Base, die Gräfin Ferindhal, zu Besuch.«
Da die Frau sich nicht überzeugen lassen wollte, riet Rogon ihr, noch einmal ganz genau in ihrem Zimmer nachzusehen, ob sich die Brosche nicht doch auffinden lassen würde.
Nun wagte auch der Ehemann einzugreifen. »Du solltest den Rat des Fremden befolgen, meine Liebe. Vielleicht ist die Brosche herabgefallen und liegt nun unter deinem Bett.«
»Da habe ich nachgesehen!«, rief die Gutsherrin, doch ihr war anzumerken, dass sie log.
Schließlich nickte sie, musterte Rogon aber mit einem feindseligen Blick. »Also gut! Sehen wir in meinem Zimmer nach. Dann wird dieser Landstreicher sehen, wer recht hat. Er soll dann aber seine Beine in die Hand nehmen, wenn er nicht von meinen Hunden gebissen werden will!«
Mit diesen Worten drehte sie sich um und kehrte zum Wohngebäude des Gutes zurück. Rogon, die beschuldigte Magd und einige andere Leute folgten ihr. Der Ehemann der Dame gesellte sich dabei zu einem der Zecher, die Rogon hatten aushorchen wollen.
»Wer ist dieser Fremde?«, fragte er.
»Er hat nicht einmal seinen Namen genannt und auch sonst kaum ein Wort gesagt. Wir wissen nur, dass er aus den Ödlanden gekommen ist!«, berichtete ihm der Mann.
»Aus den Ödlanden? Bei Ilyna!« Den Gutsherrn schüttelte es bei dem Gedanken an jene entsetzliche Gegend. Gleichzeitig sah er Rogon mit aufkeimender Angst an. »Vielleicht ist er ein Magier und wird gewiss zornig, wenn meine Gemahlin unrecht hat!«
Die Dame betrat das Haus und blieb dann vor ihrer Kammertür stehen. »Niemand außer mir und dem Fremden betritt meine Gemächer, vor allem dieses verlogene Ding dort nicht. Ich will nicht, dass sie meine Brosche heimlich unter mein Bett legt und so tut, als würde sie diese gerade finden.« Danach nahm sie einen Besen, fuhrwerkte damit unter dem Bett herum und wandte sich dann triumphierend Rogon zu.
»Siehst du, hier ist nichts!«
Rogon achtete nicht auf sie, sondern starrte in eine Ecke. Dort war ihm ein winziger Fleck blauer Magie aufgefallen, die nach Ödlanden schmeckte. Eine Maus kauerte dort, allerdings besaß sie sechs Beine statt vier und schien nicht recht zu wissen, wie sie zu ihrem Versteck gelangen konnte.
Du könntest mir wahrscheinlich sagen, wer die Brosche gestohlen hat, dachte Rogon. Im selben Augenblick durchzuckte ein blauer Schein seinen Kopf, und er sah sich selbst ganz winzig im Zimmer herumlaufen. Ein dunkler Schatten tauchte im offenen Fenster auf, und während er in höchster Not unter das Bett krabbelte, bekam er noch mit, dass der Schatten sich als großer Vogel entpuppte, der nach der ersten Enttäuschung, weil ihm die erhoffte Beute entgangen war, die Brosche packte und damit davonflog.
Mit einem Mal war Rogon wieder er selbst und rieb sich verwundert über die Augen. Dann aber trat er ans Fenster, öffnete es und blickte hinaus. Ein Baum, der etwa hundert Schritte vom Gutshof entfernt stand, zog seine Blicke auf sich. Knapp unter der Krone entdeckte er das Nest einer Goran-Elster, in dem mehrere Gegenstände glitzerten.
»Ein Knecht soll eine Leiter nehmen und auf den Baum dort steigen. Es mag sein, dass er in dem Vogelnest etwas findet!«, sagte er und verließ die Kammer.
Die anderen folgten ihm auf den Hof. Dort erteilte der Gutsherr einem seiner Untergebenen den Befehl, das Nest zu untersuchen.
Es dauerte nicht lange, da kehrte der Mann im Laufschritt zurück und hielt seiner Herrin beide Hände hin. Neben der vermissten Brosche hatte
Weitere Kostenlose Bücher