Stolz der Kriegerin
die Freistädter gelähmt, wandte Rogon sich grinsend an Sung, der noch immer im dichtesten Gebüsch hockte. »Du kannst herauskommen! Die Sache ist erledigt.«
»Das ist sie nicht«, schimpfte der Heiler, während er auf Rogon zutrat. »Diese Kerle haben sich nicht allein hier herumgetrieben. Irgendwo muss ein Schiff auf sie warten. Man wird uns jagen und dann …«
»Dazu müssten sie erst wissen, wer ihre Leute erledigt hat. Komm hilf mir! Und du dort, Schlangenfrau, brauchst vor uns keine Angst zu haben!«
Das Letzte galt dem fremdartig aussehenden Geschöpf, das, wie Rogon jetzt erkannte, nicht nackt war, sondern in einem bis zu den Oberschenkeln reichenden Hemd steckte, das ebenso gemustert war wie seine Haut.
Die Gerettete sagte nichts, verfolgte aber seine weiteren Schritte aufmerksam. Zunächst holte Rogon den Kerl aus dem Flussarm, den er als Ersten erledigt hatte, und prüfte kurz dessen Puls.
»Es ist noch Leben in ihm, aber er hat Wasser in der Lunge.«
»Dann stell ihn auf den Kopf«, antwortete Sung mürrisch. Er war nicht bereit, seine Heilkunst einzusetzen und damit Gefahr zu laufen, später von den falschen Leuten erkannt zu werden. So viele violette Heiler gab es nicht, und wenn, zählten sie meistens zu den Tivenga, deren Magie sich anders anfühlte als die seine.
Rogon achtete nicht auf ihn, sondern legte den Flussmäuler so, dass das Wasser aus seinem Mund floss, und holte sich dann die drei anderen Kerle.
»Was willst du mit ihnen machen? Ihre Lähmung wirkt höchstens eine oder zwei Stunden«, wandte Sung ein.
»So lange will ich sie nicht behalten!« Rogon suchte die drei Boote zusammen und fand, dass sie groß genug waren, je zwei Männer zu tragen. Er wuchtete den Flussmäuler in eines, dazu einen der Freistädter, und stieß dann das Boot in die träge fließenden Wasser des Stromarmes. Den beiden anderen Freistädtern erging es nicht anders.
»Damit sind wir sie los«, erklärte Rogon.
»Aber auf diese Weise werden sie noch schneller von ihren Leuten gefunden, und wir haben bald die ganze Meute am Hals!«
Sung begriff nicht, was den jungen Mann antrieb, und wunderte sich gleichzeitig über dessen Tatkraft. Ihm schien es unglaublich, dass er es mit dem gleichen jungen Mann zu tun hatte, der in Andhirrah prächtig aufgeputzt die Gäste begrüßt hatte. Weit weg von Zeremonien und höfischen Verpflichtungen, die er als Erbprinz zu erfüllen hatte, war aus dem gelangweilten jungen Mann ein verwegener Bursche geworden, der sich vor nichts zu fürchten schien.
Rogon unterbrach seine Betrachtungen, indem er auf das letzte Boot wies. »Das reicht für uns beide. Wir werden uns jetzt von dieser jungen Dame verabschieden und verschwinden dann in den Sümpfen. Die sind, das kann ich dir versichern, groß genug, so dass uns auch der hartnäckigste Flussmäuler nicht finden wird.«
Nach diesen Worten deutete Rogon eine knappe Verbeugung in Richtung der Geretteten an und wies auf den Flussarm. »Im Wasser kommst du sicher schneller von hier fort. Erreiche deine Heimat in Frieden und nimm dich in Zukunft besser vor solchem Gesindel in Acht!«
Die noch sehr mädchenhaft wirkende Schlangenfrau sah ihn mit schräg gehaltenem Kopf an, so als wolle sie in sein Innerstes schauen, und nickte schließlich, als müsse sie sich selbst zustimmen. »Ich danke dir, Prinz von Andhir. Du hast dich nicht geschont, um meine Freiheit und mein Leben zu retten. Damit stehe ich in deiner Schuld. Ich bin Xulla von denZirdh’een. Kommt mit! Ich werde euch auf Wegen führen, die die Jäger aus Flussmaul und Norensill niemals finden werden.«
»Du kennst mich?«, fragte Rogon verwundert.
»Auch wenn wir Zirdh’een im Verborgenen leben, wissen wir doch, dass Rogar König von Andhir geworden und Rogon sein Sohn ist«, antwortete die Schlangenfrau und machte eine einladende Geste.
»Kommt endlich! Es wird nicht mehr lange dauern, bis die Flussmäuler und Norensiller ihre Freunde suchen.«
»Wir nehmen dein Angebot mit Freuden an!« Rogon versetzte Sung, der nicht so überzeugt zu sein schien, einen freundschaftlichen Stoß. »Ich sagte es dir doch! Diese Kerle werden weder wissen, wer die vier Männer ausgeschaltet hat, noch uns auf unserem weiteren Weg behelligen.«
»Wir hätten sie töten sollen«, murmelte Sung leise vor sich hin und verdrängte dabei den Gedanken, dass er als Heiler eigentlich dazu da war, Leben zu erhalten.
Rogon nahm ihm den Einwurf nicht übel, sondern forderte ihn auf, sich ins
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