Stolz der Kriegerin
hinausging.
»Wir werden nach Thilionrah reiten. Vielleicht finden wir dort den Verursacher oder erfahren etwas über ihn«, sagte sie kurz entschlossen.
Der König nickte und befahl seinen Wachen, den Bewusstlosen wegzuschaffen und zu fesseln. Doch da mischte Graf Klerdhil sich ein.
»Verzeiht, Eure Majestät, Dame Laisa. Ich möchte nur noch schnell etwas schauen!« Auf seine Anweisung hin schälten die Wachen den verhinderten Meuchelmörder aus seiner Rüstung und zogen ihn bis auf sein Lendentuch aus. Klerdhil fuhr rasch mit seiner Hand über den Rücken des Mannes und schüttelte den Kopf.
»Er ist keiner von denen!«
»Wer von was?«, fragte Laisa gereizt.
»Ich meine von diesen Kerlen, die Ihr vor ein paar Tagen gefangen genommen habt. Diese hatten hier«, Klerdhil zeigte auf eine Stelle zwischen den Schulterblättern des Bewusstlosen, »eine magische Tätowierung, die mit den Augen kaum zu entdecken war. Als oberster Wappenmeister von Thilion zählt es jedoch zu meinen Aufgaben, die magische Tätowierung von neugeborenen Kindern des Adels zu überwachen. Daher spüre ich aus Erfahrung, wenn eine solche vorhanden ist. Beim Adel befindet sie sich vorne auf der Schulter knapp unter dem Schlüsselbein!«
Auf Klerdhils Befehl wurde der junge Ritter herumgedreht. Jetzt bemerkte Laisa das Mal selbst, ohne dass der Graf ihr die Stelle zeigen musste. Die Tätowierung wies den Jüngling als Sohn eines Barons aus dem südlichen Thilion aus.
»Und du sagst, die sechs Toten hatten ebenfalls so ein Mal? Warum hast du es mir nicht gezeigt?« Laisa knurrte unwillig, denn sie mochte es gar nicht, wenn ihr Wissen vorenthalten wurde.
Klerdhil machte eine beschwichtigende Handbewegung. »Ich habe es erst gestern entdeckt, doch als ich es Euch und Seiner Majestät melden wollte, wart Ihr damit beschäftigt, ihn von seiner Schwäche zu heilen. Da wollte ich nicht stören. Am Abend sind alle früh zu Bett gegangen, und heute Morgen habe ich dann nicht daran gedacht …«
»Lass es gut sein«, unterbrach Laisa die gestammelte Entschuldigung des Grafen. Sie spürte, dass er die Wahrheit sprach und ihr die Entdeckung nicht absichtlich verschwiegen hatte. Daher stellte sie die Frage, die ihr am wichtigsten erschien: »Welche Tätowierung wiesen die Toten auf? Vielleicht kann man damit herausfinden, wer sie beauftragt hat.«
»Es ist kein mir bekanntes Wappen«, antwortete Klerdhil. »Es handelt sich um zwei gekreuzte Speere, davor ein aufrecht stehendes Schwert!«
»Von einem solchen Zeichen habe ich noch nie etwas gehört«, warf Reodhil nachdenklich ein.
Laisa entblößte ihr Gebiss zu einem freudlosen Grinsen. »Auf jeden Fall werden wir auf jeden achtgeben müssen, der so ein Zeichen trägt. Doch nun will ich nach Thilionrah aufbrechen und dort nach Spuren suchen.«
☀ ☀ ☀
Thilionrah war nach T’woollion die zweitgrößte Stadt, die Laisa bisher gesehen hatte. Sie bildete, wie auf dieser Stromseite üblich, ein großes Dreieck mit nicht ganz gleichen Seiten und besaß drei nach den Göttern Tenelin, Talien und Meandir benannte Türme an den jeweiligen Spitzen.
Reodhil wählte nach alter Tradition das Tenelinstor, um in die Stadt einzureiten. Anders als sonst aber machte er keinen Umweg durch die Stadt, um sich den Menschen zu zeigen, sondern hielt geradewegs auf den Palast zu. Daher sah Laisa außer der Umfassungsmauer des königlichen Bezirks nur den Tenelin-Tempel, der inmitten einer weiten Grünfläche stand. Allein das Hauptgebäude des heiligen Bezirks war so groß, dass der gesamte Tempelbezirk von Gamindhon samt Vorhöfen und Gärten hineingepasst hätte. Zusammen mit dem Palast nahm er wohl ein Drittel der Stadt ein. Allerdings zählten auch die Unterkünfte der Krieger, die Ställe und die Zeughäuser zu dem Gebäudekomplex, so dass die restliche Bevölkerung sich nicht auf engstem Raum zusammenkauern musste.
Im Palastgelände waren viele Mauern mit grünen Bildfliesen versehen. Sie zeigten, wie Reodhil erklärte, alle Könige Thilions seit dem Augenblick an, in dem diese lange vor dem Friedensschluss der Götter und Dämonen mit der Herrschaft über dieses Land betraut worden waren. Laisa entdeckte unter ihnen auch Evendhil, den Urgroßvater König Reodhils, zu dessen Zeit jene Sichelmünze geprägt worden war, die sie kurz nach ihrem unfreiwilligen Auftauchen in den Dämmerlanden entdeckt hatte.
Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Damals hätte sie sich nicht träumen lassen, als
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