Stolz und Leidenschaft: Roman (German Edition)
sein Hauptmann bist du Argyll Rechenschaft schuldig, und ich will, dass man diese Männer dafür, was sie sich erdreistet haben, hängt, streckt und vierteilt.«
»Vielleicht, aber nicht hier. Das hier ist mein Land, und
ich bin für die Menschen darauf verantwortlich. Wenn du ein Problem damit hast, dann geh damit zu unserem Cousin.«
»Das werde ich.«
»Und bis dahin will ich, dass du von meinem Land verschwindest. Sofort.«
Colin blieb der Mund offen stehen. »Das kann doch nicht dein Ernst sein.«
»Find es heraus«, sagte Jamie tödlich ruhig.
Kampfbereit standen sich die beiden Brüder herausfordernd in der Dunkelheit gegenüber, ihre Männer hinter ihnen versammelt. Obwohl Colins Männer in der Überzahl waren, wussten beide, dass im Falle eines Kampfes Jamie und seine Krieger durch ihre überlegenen Fähigkeiten gewinnen würden. Und Colin würde diese Demütigung nicht erleiden wollen, deshalb gab Jamie seinem Bruder die Gelegenheit, seinen Stolz zu wahren.
»Aber du weißt hoffentlich, dass du ihnen sehr wahrscheinlich die Flucht ermöglichst, wenn ich gegen dich kämpfen muss.«
»Bist du sicher, dass das ohnehin nicht genau das ist, was du willst? Wie kann ich sicher sein, dass du diese Männer nicht laufen lässt?«
»Das kannst du nicht«, sagte Jamie schlicht. »Wie ich bereits sagte, das hier ist mein Land, und die Menschen darauf unterstehen meiner Verantwortung.«
Der Hass in den Augen seines Bruders bestürzte ihn. Jamie wusste, dass Colin diese vermeintliche Loyalitätsverletzung nicht so schnell vergessen würde.
Colin befahl seinen Männern, zu den Pferden zurückzukehren, die sie vermutlich in einiger Entfernung angebunden hatten, damit sie nicht auf ihre Anwesenheit aufmerksam machten. Er wandte sich den Hügel hinunter, doch dann drehte er sich noch einmal um und schoss eine letzte Spitze ab. »Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal den Tag erleben
würde, an dem mein ach so ehrenhafter Bruder das Gesetz in die eigenen Hände nehmen und gegen sein eigen Fleisch und Blut richten würde. Du wirst unserem Bruder, dem Bastard, von Tag zu Tag ähnlicher. Deine hübsche kleine Frau hat dich kastriert.«
Jamie ballte und öffnete die Fäuste. Er hatte geglaubt, dass er gegen die Sticheleien seines Bruders immun sei, doch diese Spitze traf ihn. »Zweifelst du an meiner Loyalität, Bruder?«
»Deiner Loyalität für wen? Deine Frau oder deinen Clan?«, spottete Colin. »Du kannst nicht beiden gegenüber loyal sein.«
Doch, verdammt, das kann ich. Aber die Worte seines Bruders verfehlten nicht ihre Wirkung. Die Liebe zu seiner Frau strapazierte sein Pflichtgefühl bis an die Grenzen – und stellte seinen tiefen Sinn für Gerechtigkeit in Frage. Seit dem Verrat seines Bruders Duncan hatte Jamie das Gesetz stets als etwas Absolutes betrachtet – es gab nur Recht und Unrecht. Doch zum ersten Mal ließ sich die Frage, was recht und was unrecht war, nicht so einfach beantworten.
Er wartete, bis er das Geräusch von Hufschlag in der Ferne hörte und der Mann, den er hinter Colin und seinen Männern hergeschickt hatte, zurückgekehrt war, dann befahl er seinen Männern vorzudringen. Sie krochen durch die Dunkelheit auf die Höhle zu, und nur das Geräusch der Stille folgte ihnen. Wenn alles nach Plan lief, dann würde es vorbei sein, noch bevor es überhaupt angefangen hatte.
Caitrina war ein einziges Nervenbündel, als sie endlich die Höhle betrat. Obwohl sie davon überzeugt war, dass das, was sie tat, richtig war, machte es das nicht einfacher. Und ebenso wenig machte es das Schuldgefühl leichter.
Es war feucht und dunkel, und eine eisige Kälte drang ihr durch die schweren Lagen Wolle bis auf die Haut. Wenigstens
hatte die ganze Sache ein Gutes: Brian würde an einen warmen und sicheren Ort kommen.
Es dauerte eine Weile, bis ihre Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, denn nur eine einzige Fackel flackerte an der hinteren Wand der Höhle. Ohne Zweifel waren sie vorsichtig, weil sie fürchteten, dass zu viel Licht ihr Versteck verraten könnte.
Niall kam auf sie zu, um sie zu begrüßen. Er sah schrecklich aus – schmutzig und heruntergekommen, wie der Gesetzlose, der er geworden war. Er sah aus, als wäre er um zehn Jahre gealtert, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. Doch da war noch etwas anderes. Sein Gesichtsausdruck war so hart und wütend wie zuvor, doch nun mischte sich auch noch eine unverkennbare Aura der Traurigkeit darunter.
»Was machst du hier
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