Stolz und Leidenschaft: Roman (German Edition)
ihm schicken lassen, sobald sie dafür bereit wäre.
Doch als sie an diesem Morgen aufgewacht war, endlich bereit, den Ruinen ihres Heims entgegenzutreten, war er bereits fort. Obwohl er nachts neben ihr schlief, hatte er es sich zur Gewohnheit gemacht, sie zu verlassen, bevor sie aufwachte, was einen weiteren Keil zwischen ihre Nähe in der Nacht trieb und die Distanz während des Tages noch vergrößerte. Statt nach ihm schicken zu lassen, hatte sie beschlossen, ohne ihn zu gehen, denn sie wollte alleine sein, wenn sie die Ruinen zum ersten Mal sah.
Ihr Herz klopfte, als sie den Hügel erklomm, der Ascog Castle majestätisch im Norden abgrenzte. Tränen brannten ihr in den Augen, als die verkohlte Ruine Ascogs vor ihr auftauchte. Breite Aschestreifen hatten Teile der grauen Steinmauern schwarz gefärbt. Alles, was innerhalb der Mauern des barmkin übrig geblieben war, war der steinerne Wohnturm – seines hölzernen Daches beraubt. Tatsächlich war alles, was aus Holz gemacht war – all die kleineren Außengebäude, die den Burghof umgeben hatten – verschwunden.
Verzweiflung mischte sich mit Erleichterung. Es war zwar nur noch eine gespenstische Hülle des Ortes, den sie geliebt hatte – doch wie sie stand er immer noch aufrecht.
Sie ließ den Blick über den barmkin schweifen, sah den Schwarm arbeitender Männer, die den Schutt und die Asche fortschafften, und ihre Augen schwammen in Tränen, als Erinnerungen an eine glücklichere Zeit vorüberzogen. Sie konnte beinahe vor sich sehen, wie Brian hinter einem seiner Hunde herlief oder Niall und Malcolm versuchten, sich gegenseitig eins überzuziehen, während sie mit ihren claidheamhmórs übten. Eine einzelne Träne rollte über ihre Wange und fiel auf ihr arisaidh. Gott, wie sehr sie sie vermisste!
Das Gewicht von allem, was sie verloren hatte, senkte sich erdrückend auf sie herab, und Einsamkeit und Trauer brachen über sie herein.
Die Mühe, die es kosten würde, um die Burg wieder in ihrem früheren Glanz erstrahlen zu lassen, war beinahe überwältigend. Das Gefühl von Verantwortung, von Pflicht – etwas, das in ihrem alten Leben stets bei jemand anderem gelegen hatte – traf sie mit voller Wucht. Es lag nun bei ihr, und sie konnte sich nicht davon abwenden. Mit dem Handrücken wischte sie sich die Tränen von den Wangen, holte tief Luft und begann, den Hügel hinabzusteigen.
Obwohl einiges von dem Schutt schon fortgeräumt worden war, gab es immer noch viel zu tun, und sie beabsichtigte, bei jedem Schritt des Wiederaufbaus dabei zu sein. So wie sie angenommen hatte, dass auch Jamie es war. Doch als sie durch das Tor in den Burghof ging, stellte sie überrascht fest, dass nichts von ihm zu sehen war.
Die Männer, die meisten von ihnen ehemalige Diener oder Pächter ihres Vaters, hielten kurz in ihrer Arbeit inne und beobachteten sie argwöhnisch. Ihre Zurückhaltung versetzte Caitrina einen Stich, doch sie setzte ein breites Lächeln auf und sprach einen der Männer an, die sie erkannte.
»Es ist schön, dich zu sehen, Callum.«
»Es ist auch schön, Euch zu sehen, Mistress«, antwortete er und erwiderte ihr Lächeln. Doch dann wurde er ernst. »Euer Verlust tut uns leid, Mädchen. Euer Vater war ein großartiger Chief.«
Sie nickte mit einem dicken Kloß in der Kehle. »Danke«, brachte sie hervor. »Ich vermisse sie alle sehr.«
Sie bahnte sich ihren Weg durch die Menge, begrüßte andere mit Namen und erkundigte sich nach ihren Familien. Als sie spürte, wie die Stimmung sich hob, kam sie auf die Reparaturen zu sprechen. Callum meinte, dass sie noch ein paar Tage brauchen würden, um den Schutt wegzuräumen, doch sie erwarteten, dass sie Ende der Woche anfangen konnten, die für den Wiederaufbau nötigen Bäume zu fällen. Da Holz auf den Inseln knapp war, hatten sie Glück, dass es in unmittelbarer Nähe einen Wald mit genügend Vorrat an Bauholz gab.
Ein weiterer Mann trat vor, nicht viel älter als sie, und stellte die Frage, die offenbar alle beschäftigte. »Ist es wahr, Mylady? Hat man Euch gezwungen, den Mann zu heiraten, der Euren Vater getötet hat?«
»Nein«, antwortete sie erschrocken. »Ich meine, ich habe zwar geheiratet, aber mein Ehemann hatte nichts mit dem Überfall zu tun.«
»Aber er ist ein Campbell«, stieß Callum verärgert hervor. »Und Argylls Henker.«
»Ja«, meinte sie ausweichend. »Aber …« Ihre Stimme brach ab. Aber was? Was konnte sie sagen? Das hier war schlimmer, als sie sich vorgestellt
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