Stolz und Leidenschaft: Roman (German Edition)
könnte sie ein neues Leben aufbauen – nicht besser oder schlechter, sondern anders.
Ihren Verwandten Lebewohl zu sagen war schwerer, als sie erwartet hatte. Sie schuldete ihnen so viel und wusste, dass sie ihnen ihre Güte niemals würde zurückzahlen können.
Erst als ihr Cousin John sie beiseitenahm, während Jamie unter vier Augen mit ihrem Onkel in dessen Arbeitszimmer sprach, durchdrang die Wirklichkeit den traumähnlichen Zauber, den ihre leidenschaftliche Hochzeitsnacht um sie gewoben hatte.
»Es wird nicht einfach für dich werden, Mädchen, mit einem Campbell verheiratet zu sein. Du hast ein großes Opfer
für deinen Clan erbracht, aber wenn du feststellen solltest, dass du es nicht mehr ertragen kannst, dann lass nach mir schicken.«
Caitrina senkte den Blick. Opfer . Es war nicht halb so ein großes Opfer, wie es das eigentlich sein sollte. Dennoch rührte sie die Sorge ihres Cousins – auch wenn sie unangebracht war. Sie verspürte einen schmerzhaften Stich in der Brust. Malcolm oder Niall hätten ebenso reagiert. »Danke, John, aber das wird nicht nötig sein. Ich werde schon gut genug zurechtkommen.«
Mit hartem Blick starrte er sie an. »Lass dich nicht von dem Vergnügen des Ehebetts täuschen, Mädchen.« Johns unverblümte – und nur zu treffende – Einschätzung der Situation brachte sie aus der Fassung. »Er will dich, aber Jamie Campbell ist durch und durch so gefährlich und skrupellos, wie man behauptet. Ich habe ihn in Aktion gesehen. Er wird sich niemals von einer Frau beeinflussen lassen. Seine Loyalität wird an allererster Stelle immer seinem Cousin gehören. Lass dich von der Tracht nicht täuschen«, warnte er, wobei er sich auf Jamies Wahl der Kleidung bezog. Offensichtlich war sie nicht die Einzige, die die Veränderung bemerkt hatte. »Er ist durch und durch ein Campbell – und als solcher wird er nie ein Freund von uns sein.«
Caitrina bemühte sich, ihre Beschämung zu verbergen. War sie so leicht zu durchschauen? War die Faszination für ihren Ehemann so offensichtlich? Sie dachte an ihren Schwur, unbeteiligt zu bleiben, an den Schwur, sich an den Campbells zu rächen, und schämte sich für ihre Schwäche. Dafür, wie schnell sie erlegen war. Doch sie hätte niemals für möglich gehalten, dass er so zärtlich sein konnte … so sanft … beinahe liebevoll. Ihr Stolz zwang sie, das Kinn zu recken und dem Blick ihres Cousins standzuhalten. »Daran brauchst du mich nicht zu erinnern. Ich weiß sehr wohl, wen ich geheiratet habe.« Und was ich geworden bin.
»Es wird Gemurre geben«, warnte er sie.
Ihr Cousin hatte recht. Denjenigen, die von ihrem Clan übrig geblieben waren, würde es nicht gefallen, was sie getan hatte. Sie verspürte einen kurzen Anflug von Unbehagen. Jamie würde mangelnde Loyalität oder fehlenden Respekt niemals tolerieren – wie konnte sie ihre Leute dazu bringen, sich ihm zu fügen? »Sie werden sehen, dass es nur zu ihrem Besten ist.«
Das mussten sie einfach. Sie wollte nicht dasselbe Elend wie ihre Mutter erleiden: von ihrem Clan verstoßen zu werden, weil sie den Feind geheiratet hatte.
Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, dass Jamie und ihr Onkel in den Saal zurückkamen. Er schritt mit finsterem Gesichtsausdruck direkt auf sie zu, beinahe, als habe er erraten, wovon sie gesprochen hatten.
John bedachte sie mit einem letzten langen Blick, diesmal beinahe mitfühlend. »Um deinetwillen hoffe ich, kleine Cousine, dass du recht hast.«
Die kurze Reise über den Clyde von Toward nach Rothesay verlief ereignislos, und am Nachmittag befand Caitrina sich bereits in Rothesay Castle, der luxuriösen ehemaligen Festung der Stewarts mit ihren einzigartigen runden Türmen, die ihr als Zuhause dienen würde, bis Ascog wiederhergestellt war. Es war viel prachtvoller als jeder Ort, an dem sie je gelebt hatte, und sie musste sich erst einmal daran gewöhnen – und ebenso daran, einen Ehemann zu haben.
Während der nächsten paar Tage schlossen sie einen unsicheren Waffenstillstand, geschmiedet in der Dunkelheit der Nacht, wenn nichts zwischen ihre Lust und Leidenschaft kommen konnte. Jeden Abend kam er erst spät ins Schlafgemach, zog vor dem schwelenden Kaminfeuer die Kleider aus, schlüpfte nackt zu ihr ins Bett und wartete darauf, dass sie auf ihn zukam. Wie er es in der ersten Nacht getan hatte, ließ
er sie nie vergessen, dass es ihre Entscheidung war – sie hatte die Kontrolle. Und wie eine Motte dem Licht konnte sie der
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