Stolz und Verfuehrung
Lärm schwoll an und schwappte wie eine Welle über ihn. Gelächter hallte durch den Raum. Und das war nicht die einzige Veränderung.
Das Gasthaus sah anders aus - obwohl er weder Möbel noch Dekorationen entdecken konnte, die vorher nicht im Raum gewesen waren. Der beachtliche Unterschied musste durch eine gründliche Reinigung erzielt worden sein - war es Lavendelduft, der ihm in die Nase stieg? - kombiniert mit einer veränderten Anordnung der Kissen, Zierdeckchen und Tischläufer.
Noch einmal schaute er sich um und grub in seinen Erinnerungen. Die Herrichtung musste schon eingeleitet worden sein, als er Emily früh am Nachmittag abgeholt hatte; bestimmt war er zerstreut gewesen und hatte deshalb nicht darauf geachtet. Und er vermutete, dass die Veränderung am helllichten Tag nicht so offensichtlich war wie in der warmen Glut der geputzten und strahlend blank polierten Leuchten.
Als Jonas den Blick durch den Schankraum schweifen ließ, war er nicht überrascht, alle Stammgäste zu sehen. Und darüber hinaus den Hufschmied Thompson sowie dessen Bruder Oscar. Aus Colyton Manor waren Covey gekommen und Dodswell, Lucifers Kammerdiener. Zusätzlich bevölkerten zahlreiche Arbeiter der umliegenden Ländereien das Gasthaus, Bauern, Gärtner und Hausangestellte. Einige stammten aus Häusern, die noch weiter entfernt lagen als diejenigen, die er seiner neuen Wirtin genannt hatte.
Auch aus den genannten Häusern waren Leute zu Gast. Jonas entdeckte Henry Grisby und Cedric Fortemain lebhaft ins Gespräch vertieft, während Basil Smollet ein Bier trank und mit Pommeroy Fortemain plauderte, Cedrics jüngerem Bruder.
Die Bewohner des Dorfes waren durch Silas Coombe, Mr Weatherspoon und einige wenige ältere Männer vertreten. Es war bemerkenswert, dass die Ehefrauen der Männer dicht bei ihnen saßen, Frauen, die seit Juggs’ beklagenswerter Führung keinen Fuß mehr über die Schwelle des Gasthauses gesetzt hatten.
Noch bemerkenswerter war die Menge zumeist weiblicher Gäste links des Eingangs. Die bequemeren Sitzgelegenheiten waren sämtlich besetzt. Miss Sweet, Phyllidas frühere Gouvernante, saß dort zusammen mit der gebrechlichen Miss Hellebore, deren Neugier unübertrefflich war. Beide hatten ihn bemerkt und musterten ihn mit lebhaftem Blick. Jonas war es allerdings gewohnt, die Zielscheibe ihrer Argusaugen zu sein.
Die Ladys aus Highgate und andere von der Dottswood Farm hatten sich in Gruppen zusammengedrängt und schnatterten wie eine Schar Gänse.
Jonas schaute genau hin, konnte Phyllida aber nicht entdecken. Es war gerade Abendbrotzeit für Aidan und Evan, sodass er sich darüber nicht zu wundern brauchte. Er war sich sicher, dass seine Zwillingsschwester schon am Nachmittag vorbeigeschaut hatte. Aber weil Miss Beauregard mit ihm unterwegs gewesen war, konnte es gut sein, dass Phyllida die beiden verpasst hatte.
Dass jedermann vorbeischaute, um die neue Gastwirtin kennenzulernen, war selbstverständlich; ganz besonders für die Frauen, die gern ein paar Worte mit ihr wechseln wollten. Genau in diesem Moment führte Cedrics Mutter Lady Fortemain das Wort. Sie hatte sich Emily Beauregard geschnappt und war nicht geneigt, sie wieder gehen zu lassen - Jonas kannte die alte Lady nur zu gut.
Emily schaute auf und entdeckte ihn. Aber Lady Fortemain streckte die Hand aus, klammerte die Finger wie ein Greifvogel um Emilys Gelenk und forderte ihre Aufmerksamkeit.
Jonas hatte den Eindruck, dass seine neue Gastwirtin ein wenig Unterstützung gebrauchen konnte, und schlenderte zu ihr.
Ohne in seine Richtung zu schauen, wusste Em, dass Tallent sich näherte, und registrierte erbost die innere Unruhe, die diese Gewissheit in ihr auslöste. In ihrem Hinterkopf keimte der Gedanke auf - lag es an ihrem Instinkt? das Gespräch mit Lady Fortemain, immerhin von Ballyclose Manor, sofort abzubrechen und sich in ihrem Büro in Sicherheit zu bringen. Oder besser noch in der Küche, in der sich zurzeit nur weibliches Personal aufhielt.
Ein anderer Teil - zum Glück der klügere - war strikt dagegen, irgendwelche Anzeichen von Schwäche zu zeigen. Sie sollte ihre Stellung behaupten, ihre Nervosität nicht zu erkennen geben oder sonst auf irgendeine Art auf seine Anwesenheit reagieren. Jedenfalls nicht äußerlich. Und mehr noch, sie sollte zuhören, was Lady Fortemain ihr erzählte. Nach all dem, was sie heute Abend erfahren hatte, stand Ballyclose Manor ganz oben auf ihrer Liste der höchsten Häuser.
Es war gar nicht
Weitere Kostenlose Bücher