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Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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Aber wenn Du wirklich nicht weißt, worum es sich handelt, muß ich weit ausholen, um Dir alles zu erklären.
    An demselben Tag, an dem ich von Longbourn wieder nach Hause kam, erhielt Dein Onkel einen höchst unerwarteten Besuch. Mr. Darcy sprach bei uns vor, und die beiden Herren schlossen sich dann auf einige Stunden in der Bibliothek ein. Als ich eintraf, hatte Darcy sich bereits verabschiedet. Meine Neugierde wurde nun nicht ganz so stark auf die Folter gespannt wie die Deine. Er hatte meinem Mann erzählt, daß er Wickham und Lydia gefunden und beide gesprochen habe, Wickham öfter, Lydia nur einmal. Soweit ich es übersehen kann, scheint er einen Tag nach uns Pemberley verlassen zu haben, um nach London zu fahren und sich an der Suche zu beteiligen. Als Grund hierfür gab er an, daß er sich die Hauptschuld an dem Unglück beimesse, weil er über Wickhams wahren Charakter nie etwas gesagt habe. In seiner hochherzigen Art warf er sich falschen Stolz vor und gestand freimütig ein, daß er es bisher unter seiner Würde erachtet habe, den Leuten die Augen über Wickham zu öffnen. Er habe gemeint, sein Charakter werde ihn schnell genug verraten. Jetzt hielte er es aber für seine Pflicht, sich zur Verfügung zu stellen und zu versuchen, den Schaden, den er verursacht habe, wieder gutzumachen. — Falls er noch einen anderen Grund gehabt haben sollte, bin ich ganz sicher, daß dieser ebensosehr für ihn sprechen würde.
    Es dauerte einige Tage, bis er Wickhams Aufenthalt ausfindig gemacht hatte; aber er erhielt eine Hilfe dabei, die wir nicht haben konnten. Hier in London wohnt nämlich eine gewisse Mrs. Younge, die früher Erzieherin von Miss Darcy gewesen ist, aber aus irgendeinem Grunde entlassen werden mußte — er sagte uns nicht, aus welchem. Sie bezog dann ein Haus in der Edward Street, wo sie Zimmer vermietete. Darcy wußte, daß diese Mrs. Younge auf sehr vertrautem Fuße mit Wickham stand und fuhr deshalb gleich nach seiner Ankunft in London zu ihr, um sie auszufragen. Es dauerte jedoch zwei Tage, bis er von ihr erfuhr, was er erfahren wollte. Sie wollte wohl auf diese Weise einen guten Preis für ihre Auskunft herausholen, denn sie wußte tatsächlich, wo ihr Freund sich verborgen hielt. Wickham war schon am ersten Tage seiner Ankunft in London mit Lydia zu ihr gegangen, und wenn sie nicht alles vermietet gehabt hätte, dann wären sie sicherlich gleich dort wohnen geblieben. Schließlich gelang es also unserem liebenswürdigen Helfer, die gewünschte Adresse zu erhalten. Er suchte Wickham auf und setzte es dann auch durch, mit Lydia sprechen zu können. Zunächst hatte er die Absicht gehabt, Lydia zu überreden, der unmöglichen Situation ein Ende zu machen und zu ihren Eltern oder Verwandten zurückzukehren, sobald diese sich bereit erklärten, sie bei sich aufzunehmen. Er erbot sich auch, sich, wenn nötig, bei ihnen für sie zu verwenden. Aber er mußte bald merken, daß Lydia fest entschlossen war, zu bleiben, wo sie sich gerade befand. Sie erklärte ihm rund heraus, daß sie sich aus ihrer Familie gar nichts mache, seine Hilfe nicht brauche und nichts davon hören wolle, Wickham zu verlassen; sie glaube bestimmt, daß sie früher oder später einmal heiraten würden. Wann, das sei ihr ziemlich gleichgültig.
    Da sie nun einmal auf ihrer Dummheit beharrte, blieb ihm nichts weiter zu tun übrig, als die Heirat finanziell zu ermöglichen und tunlichst zu beschleunigen. Schon bei seiner ersten Unterredung mit Wickham hatte er erfahren müssen, daß dieser durchaus nicht daran gedacht hatte, Lydia zu heiraten. Wickham gab zu, daß er sein Regiment einiger dringlicher Ehrenschulden halber hatte verlassen müssen, und er scheute sich nicht, alle Schuld und Verantwortung für die gemeinsame Flucht Lydias eigener Torheit zuzuschreiben. Er wollte zunächst seinen Abschied einreichen; was dann werden sollte, das wußte er allerdings nicht. Irgendwohin werde er ja gehen müssen, aber er habe keine Ahnung, wohin, noch wovon er leben solle. Darcy fragte ihn, warum er Lydia nicht sogleich geheiratet habe und stellte ihm vor, daß Dein Vater, wenn er auch nicht für sehr wohlhabend gelte, doch jedenfalls etwas für ihn getan hätte und daß er, Wickham, aus der Heirat nur Nutzen gezogen haben würde. Aus der Antwort konnte er ersehen, daß Wickham noch immer die Hoffnung hegte, andernorts sein Glück durch eine wirklich reiche Heirat zu machen. Immerhin waren ja aber seine gegenwärtigen Verhältnisse nicht so,

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