Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)
daß er der Versuchung hätte widerstehen können, als Darcy ihm das Angebot sofortiger Hilfe machte. Darcy und er trafen sich danach noch häufig, denn es mußte ja zwischen ihnen so manches beredet werden. Wickham verlangte anfangs natürlich mehr, als er erwarten durfte, doch schließlich einigten sie sich auf einer einigermaßen vernünftigen Basis. Nachdem zwischen den beiden also alles geklärt war, ergab sich für Darcy als nächste Aufgabe, Deinen Onkel von seinen Abmachungen in Kenntnis zu setzen, und am Abend vor meiner Rückkehr machte er bereits seinen ersten Besuch bei uns. Er traf aber meinen Mann nicht an, sondern erfuhr nur, daß Dein Vater noch zu Gast bei uns war. Und da er ihn nicht für die geeignete Person hielt, mit der er die Angelegenheit besprechen konnte, geduldete er sich gern, zumal er hörte, daß Dein Vater am nächsten Tag abreisen wollte. Er hinterließ keinen Namen, und daher wußte Dein Onkel nur, daß ein Herr nach ihm gefragt habe. Darcy sprach also am folgenden Tage, einem Sonnabend, wieder vor, traf diesmal meinen Mann an und hatte, wie ich schon erwähnte, eine längere Unterredung mit ihm. Am nächsten Tag kam er noch einmal; aber erst am Montag war alles geklärt, und wir schickten euch gleich darauf den Eilbrief.
Mr. Darcy war übrigens furchtbar eigensinnig. Ich glaube, Lizzy, daß dieser Eigensinn der eigentliche Fehler seines Charakters ist. Man hat ihm so viele andere zuschreiben wollen, aber das scheint mir das einzige zu sein, was man ihm wirklich vorwerfen kann. Nichts durfte getan werden, was er nicht selbst erledigte, obwohl ich genau weiß — ich sage dies, ohne Dank dafür ernten zu wollen —, daß Dein Onkel gern selbst alles übernommen hätte. Lange Zeit stritten sie sich nur hierüber, und weiß Gott, weder der saubere Herr Leutnant noch die junge Dame, um die der Streit ging, haben das verdient. Schließlich mußte aber Dein Onkel nachgeben. Anstatt seiner Nichte helfen zu dürfen, mußte er notgedrungen damit zufrieden sein, den Dank für Darcys Großzügigkeit einzuheimsen, was ihm natürlich sehr gegen den Strich ging. Ich glaube, Dein Brief heute morgen kam ihm sehr willkommen; denn er gab ihm Gelegenheit, eine Erklärung abzugeben und sich endlich der fremden Federn zu entledigen und den Dank an die richtige Adresse zu leiten. Aber, Lizzy, Du darfst auf keinen Fall zu irgendeinem Menschen von all dem sprechen, allenfalls vielleicht zu Jane. Du wirst Dir schon einen Begriff machen können, was alles für das junge Paar gezahlt werden mußte. Da sollten Wickhams Schulden sämtlich beglichen werden; eine recht erhebliche Summe, ich glaube, etwa eintausend Pfund! Außerdem mußten außer euren tausend Pfund für Lydia noch weitere tausend Pfund für sie sichergestellt werden. Dazu dann noch der Kaufpreis für sein neues Offizierspatent! Weswegen Darcy diese Verpflichtungen alle allein übernommen hat, habe ich Dir oben schon erklärt. Er behauptet eben nach wie vor, durch seine Scheu vor allem Gerede sei Wickhams wahrer Charakter verborgen geblieben, und wenn er überall so gut und freundlich aufgenommen wurde, so trage er, Darcy, infolgedessen allein die Verantwortung. Das mag ja zum Teil vielleicht stimmen; aber ich möchte doch bezweifeln, ob Darcy oder irgendwer sonst deshalb die peinliche Affäre hätte verhindern können. Doch Du kannst sicher sein, Lizzy, daß alle diese schönen Gründe, mit denen Darcy sein Verhalten rechtfertigte, Deinen Onkel nicht dazu gebracht hätten, ihm seinen Willen zu lassen, wenn wir nicht überzeugt gewesen wären, daß für Darcy noch irgend etwas anderes dabei im Spiele war.
Nachdem alles geordnet und festgemacht war, kehrte Mr. Darcy nach Pemberley zu seinen Freunden zurück; wir hatten vorher noch verabredet, daß er zur Hochzeit wieder nach London kommen solle. Dann sollte auch alles Finanzielle endgültig geregelt werden.
Ich glaube, ich habe Dir jetzt alles erzählt. Hoffentlich ist Deine Neugierde gestillt und die Überraschung für Dich nicht zu unangenehm. Lydia zog zu uns, und Wickham konnte sie besuchen, sooft er wollte. Er war genau so, wie ich ihn seit meiner Bekanntschaft mit ihm in Hertfordshire in Erinnerung hatte; sie — ich würde Dir nicht verraten, wie wenig ihr Benehmen uns gefallen hat, wenn ich nicht aus Janes letztem Brief ersehen hätte, daß sie sich bei euch auch nicht viel besser aufgeführt hat. Was ich Dir also jetzt schreibe, wird Dir nichts Neues sein und Dich daher nicht weiter
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