Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)
erinnerst dich, liebe Schwester, daß wir vor langer Zeit übereingekommen sind, nicht mehr darüber zu reden. Bist du ganz sicher, daß er zurückkehren wird?«
»Du kannst dich darauf verlassen«, erwiderte Mrs. Philips, »denn die Haushälterin, Mrs. Nichols, war gestern selbst in Meryton; ich sah sie vorübergehen und bin eigens hinausgelaufen, um die Wahrheit von ihr zu erfahren; und sie bestätigte mir alles, was ich gehört hatte. Er kommt spätestens am Donnerstag, wahrscheinlich schon am Mittwoch. Sie war gerade auf dem Weg zum Fleischer, um einen Braten für Mittwoch zu bestellen, und sie erzählte, daß sie auf Netherfield ein paar prächtige Enten herangemästet habe, die gerade schlachtreif seien.«
Jane hatte, als sie die Nachricht erfuhr, ein Erröten nicht unterdrücken können. Es war schon eine lange Zeit her, seitdem sie zuletzt mit ihrer Schwester über Bingley gesprochen hatte. Aber jetzt sagte sie zu ihr, als sie allein waren: »Ich bemerkte, daß du mich ansahst, als Tante uns heute die letzte Neuigkeit aus Meryton erzählte, und ich weiß, daß ich betroffen ausgesehen haben muß; aber glaube bitte nicht, daß das irgendeinen törichten Grund hatte. Es verwirrte mich nur im Augenblick, weil ich wußte, daß jeder mich ansehen würde. Ich schwöre dir, daß die Nachricht mich weder freut noch bekümmert. Ich freue mich höchstens, daß er allein zu kommen scheint, denn dann werden wir ihn weniger sehen. Nicht, daß ich etwa Angst hätte, ihm zu begegnen, wohl aber habe ich Angst vor den Bemerkungen der anderen.«
Elisabeth wußte nicht, was sie davon halten sollte. Hätte sie ihn nicht in Derbyshire wiedergesehen, dann wäre es ihr gar nicht so unwahrscheinlich gewesen, wenn er wirklich nur der Jagd wegen herkommen würde; aber sie glaubte bestimmt, daß er seine Neigung für Jane noch bewahrt hatte, und sie schwankte lediglich zwischen der einen Möglichkeit, daß nämlich Darcy mit seiner Rückkehr jetzt einverstanden sei, und der anderen, daß Bingley gar sich selbst die Freiheit genommen habe, auch ohne die Zustimmung seines Freundes nach Netherfield zu gehen.
So vernünftig Janes Worte auch geklungen hatten und so ehrlich sie vielleicht auch gemeint waren, es fiel Elisabeth nicht schwer zu bemerken, daß ihre Schwester durchaus nicht so gleichgültig war, wie sie es möglicherweise von sich selbst annahm. Sie schien unruhig, und ihre Gedanken waren zweifellos oft abwesend.
Die Unterhaltung, die ihre Eltern vor nunmehr fast einem Jahr über das Thema Bingley geführt hatten, wurde jetzt von Mrs. Bennet mit der gleichen Eindringlichkeit und Ungeduld wie damals wieder aufgenommen:
»Sobald Mr. Bingley angekommen ist, mein Lieber«, sagte sie zu ihrem Mann, »wirst du ihm natürlich einen Besuch machen.«
»Nein, das tue ich nicht. Du hast mich schon einmal veranlaßt, ihn zu besuchen, und damals versprachst du mir, wenn ich es tue, werde er eine von unseren Töchtern heiraten. Aber daraus ist nichts geworden, und hinter davongeschwommenen Fellen lasse ich mich nicht herjagen.«
Seine Frau suchte ihm darauf mit vielen Worten klarzumachen, daß ein solcher Besuch die einfachste Pflicht der Höflichkeit sei.
»Das ist eine von den vielen Anstandsregeln, auf die ich ganz und gar nichts gebe«, erwiderte er. »Wenn ihm an unserer Gesellschaft etwas gelegen ist, soll er sich gefälligst selbst darum bemühen. Er weiß ja, wo wir wohnen. Ich habe wahrhaftig Besseres zu tun, als jedesmal hinter meinen Nachbarn herzurennen, wenn sie verreist waren und wiederkommen.«
»Nun, ich finde jedenfalls, daß es ganz schrecklich unliebenswürdig und unhöflich wäre, wenn du ihn nicht besuchtest. Aber das soll mich auf keinen Fall davon abhalten, ihn zum Essen zu uns einzuladen. Davon lasse ich mich nicht abbringen. Wir müssen sowieso Mrs. Long und die Gouldings einmal hier haben. Mit uns sind das dann dreizehn; es wäre also schon aus diesem Grunde sehr passend, wenn er als Vierzehnter dazu käme.«
Dieser Entschluß half ihr etwas über die Unfreundlichkeit ihres Mannes hinweg, wenn es sie auch im tiefsten Herzen kränkte, daß alle ihre Freundinnen und Bekannten Bingley womöglich eher zu sehen bekommen würden als sie.
Der Tag seiner Ankunft rückte näher.
»Ich fange an zu wünschen«, sagte Jane zu ihrer Schwester, »daß er überhaupt nicht käme. Es wäre ja alles nicht so schlimm; ich könnte ihn ohne jedes Herzklopfen wiedersehen; aber ich vermag es bald nicht mehr zu ertragen, immer
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