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Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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Veränderung anmerken zu lassen, und bildete sich tatsächlich ein, daß sie genau so gesprächig sei wie sonst. Aber sie war so sehr mit ihren Gedanken beschäftigt, daß sie sich ihres häufigen Schweigens gar nicht bewußt wurde.
    Als die Gäste sich zum Gehen anschickten, erinnerte Mrs. Bennet sich an ihren Vorsatz und lud die beiden Freunde für einen der nächsten Tage zum Essen ein.
    »Sie schulden mir ja eigentlich noch einen Besuch, Mr. Bingley«, sagte sie, »denn als Sie letzten Herbst fortfuhren, versprachen Sie mir, nach Ihrer Rückkehr einmal mit uns im engsten Familienkreise zu speisen. Sie sehen, ich habe es nicht vergessen. Und ich kann Ihnen versichern, ich war sehr enttäuscht, daß Sie nicht zurückkamen, um Ihr Versprechen einzulösen.«
    Bingley sah bei diesen Worten ziemlich verdutzt und betroffen aus, murmelte etwas von dringenden Geschäften und empfahl sich dann.
    Mrs. Bennet hatte ernstlich mit dem Gedanken gespielt, die Gäste schon heute zum Essen dazubehalten. Obwohl sie aber immer dafür sorgte, daß etwas Gutes auf den Tisch kam, glaubte sie, einem Mann, auf den sie aus gewissen naheliegenden Gründen einen besonders guten Eindruck zu machen wünschte, doch nicht weniger als zwei warme Gänge vorsetzen zu können ganz abgesehen davon, daß ein Mensch wie dieser Mr. Darcy, der über ein jährliches Einkommen von zehntausend Pfund verfügte, ihrer Meinung nach von einem einzigen Fleischgericht höchstwahrscheinlich nicht satt geworden wäre.

54. KAPITEL
    A ls die Gäste gegangen waren, zog sich Elisabeth in die Stille des Gartens zurück, um zu versuchen, ein wenig Ordnung in ihre Gedanken zu bringen; das heißt, sie überlegte sich so lange hin und her, welche Schlußfolgerungen sich aus dem soeben Gehörten und Gesehenen ziehen lassen konnten, bis sie vollends nicht mehr wußte, wo ihr der Kopf stand. Vor allem war sie völlig ratlos, was sie nun eigentlich von Darcys Benehmen halten sollte.
    »Wenn er nur gekommen ist, um mir mit einer Grabesmiene etwas vorzuschweigen, warum ist er denn dann überhaupt gekommen?« fragte sie sich immer wieder und konnte keine Antwort darauf finden, die sie zufriedengestellt hätte.
    »Er war doch noch unlängst in London zu Onkel und Tante Gardiner so freundlich und liebenswürdig; warum dann nicht auch zu mir? Wenn er Scheu vor mir hat, warum kommt er hierher? Und wenn er sich nichts mehr aus mir macht, was soll dann dieses Schweigen? Ach — ich will nicht mehr an ihn denken!«
    Gegen ihren Willen sah sie sich gezwungen, diesen Entschluß tatsächlich ein paar Augenblicke lang durchzuführen; denn Jane kam ihr mit einem heiteren Lächeln entgegen, das deutlich verriet, wieviel sie zufriedener mit dem Besuch war als ihre Schwester.
    »Nach diesem ersten Wiedersehen«, sagte sie, »fühle ich mich ganz ruhig und sicher. Ich weiß jetzt, daß ich mich in der Gewalt habe und daß mich sein Besuch nicht länger in Verlegenheit setzen kann. Es ist gut, daß er am Dienstag zu uns zu Tisch kommt. Dann wird jeder sehen können, daß wir uns beide nur als gute, wenn auch gleichgültige Freunde betrachten.«
    »Jawohl, sehr gleichgültig!« rief Elisabeth lachend. »Jane, Jane, sei dessen nur nicht gar zu sicher!«
    »Aber Lizzy, du wirst mich doch nicht für so schwach halten, daß ich jetzt noch etwas von ihm zu befürchten hätte.«
    »Ich weiß nur, daß du Gefahr läufst, ihm jetzt den Kopf noch viel mehr zu verdrehen als bisher.«
    Sie sahen die beiden Herren erst am folgenden Dienstag wieder; und Mrs. Bennet schwelgte in der Zwischenzeit in Plänen und Zukunftshoffnungen, die Bingleys Höflichkeit während seines halbstündigen Besuches wieder zu neuem Leben erweckt hatte.
    Am Dienstag versammelte sich eine große Gesellschaft auf Longbourn, und die beiden, die am sehnsüchtigsten erwartet wurden, machten ihrer guten Erziehung Ehre und kamen pünktlich zur angegebenen Zeit. Als man sich ins Eßzimmer begab, beobachtete Elisabeth gespannt, ob Bingley sich wieder wie bei seinen früheren Besuchen neben ihre Schwester setzen werde. Glücklicherweise war ihre Mutter wenigstens klug genug, um denselben Gedanken zu haben, und forderte ihn daher nicht auf, ihr Tischherr zu sein. Als Bingley ins Zimmer trat, schien er noch nicht genau zu wissen, wie er sich verhalten solle, aber sein Blick fiel auf Jane, und zufällig lächelte Jane gerade, und damit war die Frage entschieden: er nahm neben ihr Platz.
    Elisabeth warf Darcy einen triumphierenden Blick zu. Er

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