Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)
allein vorfanden, da fing diese auch davon an und beschwor sie, ihre Freundin Lizzy zu überreden, sich den Wünschen der Familie zu fügen.
»Ich bitte Sie, Miss Lucas, versuchen Sie es«, fügte sie in weinerlichem Ton hinzu. »Niemand ist sonst auf meiner Seite, niemand unterstützt mich; alle behandeln mich geradezu schändlich, niemand kümmert sich um meine armen Nerven!«
Charlotte wurde der Antwort durch das Hinzukommen von Jane und Elisabeth enthoben.
»Ja, da kommt sie«, fuhr Mrs. Bennet fort, »tut so unbeteiligt wie nur möglich und kümmert sich den Kuckuck um uns! Hauptsache, alles geht nach ihrem Kopf! Aber laß dir das gesagt sein, mein Fräulein Lizzy, wenn du die Absicht haben solltest, jeden Antrag abzulehnen, dann wirst du nie zu einem Mann kommen; und wer nach dem Tode deines Vaters für dich sorgen soll, das weiß ich wahrhaftig nicht! Ich kann es bestimmt nicht. Also du bist gewarnt! Von heute an bin ich fertig mir dir! Ich habe dir in Vaters Zimmer gesagt, ich würde nie mehr mit dir sprechen, und du sollst sehen, ich halte Wort! Mir macht es keinen Spaß, mit ungezogenen Kindern zu reden. Mir macht es überhaupt keinen Spaß, mit irgend jemandem zu sprechen! Wer so wie ich unter seinen Nerven zu leiden hat, kann unmöglich zu vielem Reden aufgelegt sein. Wenn ihr wüßtet, was ich ausstehen muß! Aber so ist es ja immer: wer schweigt und leidet, darf nicht auf Mitleid hoffen!«
Ihre Töchter ließen den Wortschwall über sich ergehen; denn sie wußten, daß jeder Versuch, ihre Mutter zu unterbrechen, sie nur noch mehr reizen würde. Sie sprach also ohne Unterlaß weiter, bis Mr. Collins eintrat, womöglich noch würdevoller als sonst. Als Mrs. Bennet seiner gewahr wurde, unterbrach sie sich selbst mit einer Ermahnung an die Mädchen.
»Ich möchte euch alle jetzt dringend, ganz dringend bitten, einmal ganz ruhig zu sein. Mr. Collins und ich haben miteinander zu sprechen!«
Elisabeth verließ schweigend das Zimmer, Jane und Kitty folgten ihr, aber Lydia blieb sitzen, fest entschlossen, sich nichts entgehen zu lassen. Charlotte, die zunächst durch die höflichen Fragen von Mr. Collins nach ihrem Befinden zurückgehalten wurde und dann auch durch ein wenig Neugierde, fand die befriedigende Lösung, aus dem Fenster zu blicken und zu tun, als höre sie nicht zu.
Mrs. Bennet eröffnete die Unterhaltung mit einem gramerfüllten: »Oh! Mr. Collins!«
»Meine verehrteste gnädige Frau«, begann er sogleich, »lassen Sie uns diesen Vorfall für alle Zeiten mit Schweigen bedecken. Ferne sei es mir«, fuhr er dann nach einer geziemenden Pause mit deutlicher Gereiztheit fort, »mich über das Verhalten Ihrer Tochter zu ärgern. Sich unvermeidlichen Übeln fügen ist unser aller Pflicht; ganz besonders die Pflicht eines jungen Menschen, der wie ich so frühzeitig alle mögliche Bevorzugung erfahren durfte. Seien Sie versichert, gnädige Frau, ich habe mich jetzt bereits damit abgefunden, zu verzichten; nicht zum mindesten wohl auch deshalb, weil mich schon Zweifel zu befallen begannen, ob es mein wahres Glück gewesen wäre, hätte meine schöne Cousine mich ihrer Hand für würdig erachtet. Oft schon habe ich Gelegenheit gehabt, feststellen zu können, daß ein Mensch erst dann zur Einsicht kommt und Verzicht leistet, wenn das Versagte im Rückblick an Vollkommenheit einzubüßen beginnt. Sie werden daher, verehrte Mrs. Bennet, mich nicht der Mißachtung Ihrer verehrlichen Familie zeihen, wenn ich meine Ansprüche auf die Gunst Ihrer Tochter schon jetzt zurückziehe, ohne Sie und Mr. Bennet um die Geltendmachung Ihrer elterlichen Autorität gebeten zu haben. Ich gebe zu, mein Verhalten kann Anlaß zu gerechtem Tadel bieten, da ich die Ablehnung von den Lippen Ihrer Tochter statt von den Ihrigen angenommen habe. Aber wir sind sämtlich schwache Geschöpfe. Ich habe nur das Beste für alle im Auge gehabt; ich beabsichtigte, eine liebenswerte Lebensgefährtin an meine Seite zu holen und gleichzeitig im Sinne Ihrer ganzen Familie zu handeln. Wenn aber mein Benehmen zu Mißfallen Anlaß geboten haben sollte, so gestatten Sie mir, gleich jetzt und hier um Verzeihung bitten zu dürfen.«
21. KAPITEL
M r. Collins’ Antrag erwies sich als ein ergiebiger Gesprächsstoff, aber allmählich war auch darüber alles gesagt, was gesagt werden konnte; zurück blieben nur das unangenehme Gefühl, das Elisabeth erklärlicherweise darüber empfand, und dann gelegentliche bissige Bemerkungen ihrer Mutter. Was die
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