Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)
mißverstanden, Mr. Collins«, sagte Mrs. Bennet tief erschrocken, »Lizzy ist nur in Fällen wie in diesem so eigensinnig. Sonst ist sie das freundlichste und zuvorkommendste Geschöpf von der Welt. Ich gehe jetzt zu Mr. Bennet, und dann wird bestimmt bald alles zu unser aller Zufriedenheit in Ordnung gebracht sein.«
Sie ließ ihm keine Zeit, etwas zu erwidern, sondern eilte, so schnell sie konnte, zu ihrem Mann in die Bibliothek und rief, kaum eingetreten:
»Ach, lieber Bennet, du wirst dringend gebraucht! Wir sind alle halb von Sinnen vor Aufregung! Komm bitte sofort und sprich ein Machtwort, daß deine Tochter deinen Vetter nicht ausschlägt! Sie schwört, ihn nicht nehmen zu wollen, und wenn du dich nicht beeilst, dann wird er es sich anders überlegen und sie nicht mehr wollen!«
Mr. Bennet hatte gleichmütig von seinem Buch aufgeschaut, als seine Frau eintrat, und ließ sich auch durch ihre Aufregung keineswegs aus der Ruhe bringen.
»Zu meinem Kummer verstehe ich kein Wort von dem, was du da sagst«, entgegnete er, als sie Atem schöpfte. »Wovon redest du?«
»Von Mr. Collins und Lizzy! Lizzy erklärt, sie will Mr. Collins nicht, und Mr. Collins sagt auch schon, er wolle Lizzy nicht mehr!«
»Und was soll ich dazu tun? Die Sache scheint mir doch ziemlich hoffnungslos zu sein.«
»Du mußt mit Lizzy sprechen. Sprich du mit Lizzy! Sag ihr, daß du darauf bestehst, sie solle ihn heiraten!«
»Laß sie rufen. Ich will ihr meine Meinung sagen.«
Mrs. Bennet läutete, und Elisabeth wurde in die Bibliothek zitiert.
»Komm her, mein Kind«, rief Mr. Bennet ihr entgegen. »Ich habe dich in einer wichtigen Angelegenheit zu mir bitten lassen. Ich höre, Mr. Collins hat dir einen Antrag gemacht. Stimmt das?«
»Ja, das stimmt.«
»Schön, und du hast diesen Antrag abgelehnt?«
»Das stimmt auch.«
»So, so, damit kommen wir jetzt zum Kern der Sache. Deine Mutter wünscht auf das bestimmteste, daß du Mr. Collins nehmen sollst. Nicht wahr, Mrs. Bennet?«
»Jawohl, ich werde sie sonst nie wieder ansehen!«
»Dann stehst du vor einer schweren Entscheidung, Elisabeth. Vom heutigen Tage an wird ein Elternteil dich wie eine Fremde behandeln müssen, deine Mutter will dich nie wieder ansehen, wenn du Mr. Collins nicht heiratest, und, was mich anbelangt, mir dürftest du nie wieder vor Augen kommen, wenn du es tust.«
Elisabeth lachte befreit und belustigt auf; sie hatte einen anderen Ausgang befürchtet. Aber Mrs. Bennet, die sich fest eingebildet hatte, ihr Mann betrachte die Angelegenheit mit ihren Augen, fühlte sich schwer gekränkt.
»Was denkst du dir nur, Bennet, so zu reden? Du hast mir doch versprochen, sie zu zwingen!«
»Meine Liebe«, erwiderte ihr Mann, »ich möchte dich um zwei kleine Gefallen bitten. Erstens, daß du es mir erlaubst, mir meine eigene Meinung über diese Sache zu bilden; und zweitens um Ruhe in meiner Bibliothek. Ich darf wohl darum bitten, mich wieder allein zu lassen.«
Aber Mrs. Bennet gab die Schlacht noch nicht verloren, trotz der Schlappe, die sie soeben durch ihren Mann erlitten hatte. Wieder und wieder sprach sie mit Elisabeth, bat und schalt, drohte und schmeichelte durcheinander. Sie versuchte auch, Jane auf ihre Seite zu ziehen; aber Jane lehnte es ebenso hartnäckig wie freundlich ab, sich einzumischen. Und Elisabeth begegnete allen Angriffen teils mit wirklichem Ernst, meist aber mit übermütigen Scherzen. In ihrem Entschluß wankte sie jedoch nicht einen Augenblick.
Mr. Collins überdachte mittlerweile für sich allein das Geschehene. Er hielt von sich selbst allzuviel, als daß ihm irgendein Grund eingefallen wäre, weswegen seine Cousine ihn nicht haben wollte. Sein Stolz hatte einen leichten Schlag bekommen, aber sonst war er unverletzt geblieben. Seine Zuneigung zu Elisabeth bestand ja nur in seiner Phantasie; und die Möglichkeit, daß ihre Mutter recht hatte mit ihrem Urteil über den Charakter ihrer Tochter, enthob ihn der Mühe, Bedauern über diesen Ausgang zu empfinden.
Mitten in diese Aufregung kam Charlotte Lucas zu Besuch. Lydia stürzte ihr schon im Vorzimmer entgegen.
»Gut, daß du gekommen bist; hier ist nämlich mächtig viel los! Was glaubst du wohl, was heute morgen geschehen ist? Mr. Collins hat Lizzy einen Antrag gemacht, und sie will ihn nicht!«
Ehe Charlotte etwas erwidern konnte, eilte auch Kitty aufgeregt herbei, um ihr dieselbe Neuigkeit mitzuteilen; und kaum hatten sie das Frühstückszimmer betreten, in dem sie Mrs. Bennet
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