Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)
sind unmöglich«, rief Elisabeth, die ihren Ärger kaum noch beherrschen konnte. »Wenn Ihnen meine Worte als Ermunterung erscheinen, dann weiß ich wirklich nicht, wie ich mein ›Nein‹ zum Ausdruck bringen soll!«
»Meine liebe Cousine, Sie müssen es mir erlauben, Ihre Worte nur als Worte zu betrachten. Meine Gründe hierfür will ich Ihnen kurz erläutern: mir scheint, meine Hand ist nicht zu verachten, auch halte ich die Stellung, die ich bieten kann, für sehr erstrebenswert. Meine Position, meine Verbindung zu der Familie Lady Catherines und meine Verwandtschaft mit der Ihren, alles das spricht für mich. Und Sie sollten bedenken, daß trotz der Vielfalt Ihrer liebenswerten Eigenschaften es durchaus nicht so gewiß ist, ob Sie je wieder einen ähnlichen Antrag erhalten werden. Ihre Mitgift ist unglücklicherweise so gering, daß sie aller Wahrscheinlichkeit nach von Ihrer Schönheit und Liebenswürdigkeit in den Augen eines anderen Freiers nicht aufgewogen wird. Aus all dem schließe ich, daß Ihre Ablehnung meiner Hand nicht ernst gemeint sein kann und daß Sie nur meine Liebe zu vertiefen suchen, indem Sie mich hinhalten, wie das so üblich ist bei schönen Frauen!«
»Ich mache durchaus keinen Anspruch auf diese Art Schönheit, die es sich angelegen sein läßt, einen vortrefflichen Mann wie Sie hinzuhalten und zu quälen. Viel lieber wäre mir das Zugeständnis, daß Sie meinen Worten Glauben schenken. Ich kann Ihnen nicht genug danken, aber ich kann ihren Antrag nicht annehmen. Meine Gefühle verbieten es mir in jeder Hinsicht! Kann ich noch deutlicher sprechen? Betrachten Sie mich nicht als eine schöne Frau, die Sie peinigen will, sondern als ein vernünftiges Wesen, das in vollem Ernst zu Ihnen spricht!«
»Sie sind unentwegt reizend!« rief er mit einem ungeschickten Versuch, den Verliebten zu spielen, »und ich weiß, daß meine Bitte mit der ausdrücklichen Unterstützung Ihrer beiden Eltern angehört und erfüllt werden wird!«
An eine solche verzweifelte Selbsttäuschung mochte Elisabeth kein weiteres Wort verschwenden, und sie verließ den Raum, ohne zu antworten. Sie nahm sich vor, ihren Vater um Schutz zu bitten, falls Mr. Collins auch weiterhin ihre Ablehnung als schmeichelhafte Ermunterung zu betrachten gewillt war: ein Nein von der Seite mußte selbst diesen beharrlichen Freier überzeugen, zumal es ihm schwerfallen würde, die Ablehnung auch dann noch als Koketterie einer schönen Frau aufzufassen.
20. KAPITEL
M r. Collins wurde nicht lange mit seinen beglückten Träumen über die so erfolgreich verlaufene Freite allein gelassen: kaum sah Mrs. Bennet, die sich im Flur zu schaffen gemacht hatte, ihre Tochter die Treppe nach oben gehen, als sie auch schon in das Frühstückszimmer eilte und Mr. Collins und sich selbst in überaus herzlicher Weise zu der Aussicht beglückwünschte, nun bald die verwandtschaftlichen Bande noch fester knüpfen zu können. Mr. Collins erwiderte die freundlichen Worte mit gleicher Wärme und ging dann dazu über, Einzelheiten seiner Unterredung mit Elisabeth wiederzugeben; er könne nicht umhin, schloß er, das Ergebnis in jeder Hinsicht für günstig anzusehen, da er ja wohl nicht fehlgehe, wenn er die hartnäckige Ablehnung, die er von seiner Cousine erfahren habe, einer natürlichen Schamhaftigkeit und einem edlen Zartgefühl zuschreibe.
Dieser Bericht gab indessen Mrs. Bennet zu denken. Sie hätte von Herzen gern seine Überzeugung geteilt, Elisabeth habe ihn mit ihrer Ablehnung seines wiederholten Antrages nur ermuntern wollen, doch sie wagte nicht daran zu glauben und gab ihrem Zweifel offen Ausdruck.
»Aber verlassen Sie sich darauf, Mr. Collins«, fügte sie hinzu, »ich werde Lizzy den Kopf schon zurechtrücken. Ich will sofort mit ihr sprechen. Sie ist so eigensinnig und töricht, daß sie oft ihren eigenen Vorteil verkennt. Aber ich werde ihr das schon klarmachen!«
»Madame, verzeihen Sie, daß ich Sie unterbreche«, warf Mr. Collins ein, »aber wenn sie wirklich ein so eigensinniges und törichtes Mädchen ist, dann weiß ich nicht, ob sie für einen Mann in meiner Position, der begreiflicherweise vor allem auf eine harmonische Ehe Wert legt, die geeignete Frau sein würde. Sollte Elisabeth daher tatsächlich weiter auf ihrer Weigerung bestehen, wäre es vielleicht ratsamer, sie nicht zu zwingen; denn wenn diese Fehler in ihrem Charakter schlummern, glaube ich kaum, daß das ein Glück für mich sein könnte.«
»Sie haben mich völlig
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