Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)
herumkommandieren kann. Ich wundere mich nur, weshalb er eigentlich nicht heiratet; denn dann würde er doch ständig einen Menschen um sich haben, an dem er seine Herrschsucht auslassen kann. Aber vorläufig begnügt er sich vielleicht mit seiner Schwester; denn da er ihr alleiniger Vormund ist, darf er wohl für sie schalten und walten, wie es ihm gefällt?«
»Nein«, entgegnete Oberst Fitzwilliam, »in dieses Vergnügen muß er sich mit mir teilen. Ich trage zur Hälfte die Verantwortung für Miss Darcy mit.«
»Ach, wirklich? Und sind Sie ein strenger Vormund? Macht Ihr Schützling Ihnen viel Kummer? Junge Damen in ihrem Alter sind oft nicht ganz leicht zu behandeln, und wenn sie eine richtige Darcy ist, so wird sie wohl recht häufig ihre eigenen Wege gehen wollen.«
Sie bemerkte, daß er sie ernsthaft ansah, während sie sprach, und die Art, in der er sogleich fragte, wie sie darauf komme, daß Miss Darcy ihm Kummer bereiten könne, bewies ihr die Richtigkeit ihrer Vermutung.
»Oh, Sie brauchen sich nicht zu beunruhigen«, meinte sie zu seiner Frage, »ich habe noch nie etwas Schlechtes über sie gehört; sie ist bestimmt das liebenswerteste Geschöpf in der Welt. Zwei Damen, die ich kenne, sind ganz entzückt von ihr, Miss Bingley und Mrs. Hurst. Sagten Sie nicht einmal, daß Sie sie kennen?«
»Ja, ich kenne sie flüchtig. Ihr Bruder ist ein feiner, wohlerzogener Mensch; er ist Darcys bester Freund, glaube ich.«
»Ja, sein allerbester«, erwiderte Elisabeth trocken. »Mr. Darcy ist die Liebenswürdigkeit selbst gegen Mr. Bingley und kümmert sich ganz erstaunlich viel um dessen Angelegenheiten.«
»Nun, Bingley scheint auch oft jemanden zu brauchen, der sich um ihn kümmert. Auf der Herfahrt erzählte mein Vetter mir etwas, das mich veranlaßt zu glauben, daß Bingley ihm sehr verpflichtet ist. Das heißt, ich weiß nicht genau, ob Bingley gemeint war. Aber ich entnahm es aus seinen Worten.«
»Worum handelte es sich denn?«
»Es ist eine Geschichte, die Darcy natürlich nicht allgemein bekannt werden lassen möchte; denn wenn die Familie der betreffenden Dame davon hörte, könnte es Unannehmlichkeiten geben.«
»Ich erzähle bestimmt nichts weiter.«
»Schön! Vergessen Sie aber nicht, daß ich keinen Grund habe, anzunehmen, daß Bingley gemeint war. Er sagte nur, daß er sich freue, einen Freund vor einer unvernünftigen Heirat bewahrt zu haben, nannte aber keine Namen und erzählte auch keine Einzelheiten; ich schloß nur auf Bingley, weil ich ihn zu der Sorte junger Männer zähle, die leicht in eine solche Situation geraten können, und weil ich weiß, daß mein Vetter und er den ganzen Sommer über zusammengewesen sind.«
»Erzählte Mr. Darcy auch, warum er sich da eingemischt hatte?«
»Mir wurde nur so viel klar, daß irgendwelche zwingenden Gründe gegen die Wahl dieser Dame vorliegen mußten; welche, weiß ich aber nicht.«
»Und durch welche List gelang es ihm, die beiden zu trennen?«
»Er erwähnte nichts von irgendeiner List«, antwortete Fitzwilliam lächelnd, »er sagte nichts weiter, als was ich Ihnen jetzt berichtet habe.«
Elisabeth sagte nichts darauf und ging stumm weiter; sie war voll Erbitterung. Fitzwilliam fiel ihr plötzliches Schweigen auf, und er fragte sie, weswegen sie so nachdenklich aussähe.
»Ich muß an das denken, was Sie mir da eben erzählt haben«, sagte sie. »Ich kann das Verhalten Ihres Vetters nicht billigen. Wer erlaubte ihm, sich in dieser Weise einzumischen?«
»Sie finden sein Verhalten wahrscheinlich sehr anmaßend?«
»Ich begreife nicht, woher Mr. Darcy sich das Recht nahm zu entscheiden, ob die Neigung seines Freundes vernünftig oder unvernünftig sei, und ich begreife auch nicht, wie er es wagen konnte, von sich aus zu bestimmen, in welcher Weise sein Freund glücklich werden solle. Aber«, fuhr sie fort und versuchte, ihre Erregung zu meistern, »da wir ja nichts Genaues wissen, wäre es ungerecht, ihn voreilig zu verurteilen. Man muß wohl annehmen, daß die Neigung, die die beiden füreinander hatten, nicht sehr groß gewesen sein kann.«
»Darin dürften Sie nicht so unrecht haben«, meinte Fitzwilliam, »wenn die Annahme auch den Erfolg meines Vetters erheblich schmälert.«
Er sagte dies in scherzendem Ton, aber Elisabeth war so überzeugt davon, daß Darcy triumphierend an seinen Erfolg dachte, daß es ihr unmöglich wurde, darauf einzugehen. Sie ließ also den Gegenstand fallen und sprach von anderen gleichgültigen Dingen,
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