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Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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Und der Gefühle, die ich Ihnen darlegte, schäme ich mich nicht im geringsten; sie waren durchaus natürlich und berechtigt. Oder erwarteten Sie etwa, ich sollte mich über Ihre kleinbürgerliche Verwandtschaft freuen? Mich dazu beglückwünschen, in eine Familie zu heiraten, die so weit unter meiner eigenen steht?«
    Elisabeth fühlte ihre Empörung und Erbitterung jeden Augenblick größer werden, aber sie bemühte sich doch, mit größter Gelassenheit zu antworten:
    »Sie irren sich sehr, Mr. Darcy, wenn Sie glauben, daß die Art Ihres Antrages irgendeinen anderen Einfluß hatte, als daß sie mich der Mühe enthob, das Mitleid mit ihnen zu haben, das ich sonst wahrscheinlich empfunden hätte, hätten Sie sich etwas feinfühliger und taktvoller aufgeführt.«
    Sie bemerkte, wie er bei diesen Worten zusammenfuhr; doch er sagte nichts und sie fuhr fort: »Aber ganz gleich, in welcher Weise Sie Ihren Antrag auch vorgebracht hätten, es wäre mir doch niemals eingefallen, ihn anzunehmen.«
    Ihre Worte versetzten ihn in offensichtliches Erstaunen; er sah sie an, als könne er seinen Ohren nicht trauen. Aber sie war noch nicht zu Ende.
    »Von Anfang an, vielleicht sogar schon vom ersten Augenblick unserer Bekanntschaft an überzeugte mich Ihr Auftreten von Ihrem anmaßenden Dünkel, Ihrer Einbildung und Ihrer eigensüchtigen Nichtachtung der Gefühle anderer Menschen; schon damals faßte ich eine Abneigung gegen Sie, die durch alles, was später noch geschah, immer stärker und unerschütterlicher geworden ist. Ich kannte Sie noch nicht lange, da wußte ich schon, daß Sie der letzte Mann in der Welt seien, der mich dazu überreden könnte, ihn zu heiraten.«
    »Sie haben sich deutlich genug ausgedrückt, Miss Bennet. Ihre Gefühle sind mir jetzt völlig klar, und es bleibt mir nun nichts anderes übrig, als mich meiner eigenen zu schämen. Verzeihen Sie, daß ich so viel von Ihrer Zeit in Anspruch genommen habe, und nehmen Sie meine besten Wünsche für Ihr weiteres Wohlergehen und für eine glückliche Zukunft entgegen!«
    Damit verließ er hastig das Zimmer, und Elisabeth hörte ihn gleich darauf die Haustür zuschlagen. Jetzt erst merkte sie, in welchen Zustand von Erregung sie geraten war; die widersprechendsten Gedanken und Gefühle stürmten auf sie ein, und sie wußte sich keinen anderen Rat, als sich hinzusetzen und zunächst einmal eine halbe Stunde lang zu weinen. Daß dieser Darcy ihr einen Antrag gemacht hatte! Daß er sie liebte! Und zwar seit Monaten und so sehr, daß er sie hatte heiraten wollen, obwohl er bemüht war, seinen Freund vor einem ähnlichen Schicksal zu bewahren — es war kaum zu glauben! Und wie schmeichelhaft war es doch eigentlich für sie, ohne ihr Zutun und Wissen ein so tiefes Gefühl erweckt zu haben! Aber das Mitleid, das sie in Anbetracht dieser Ehre und seiner Enttäuschung einen Augenblick zu überkommen drohte, schwand sogleich wieder, als sie an sein hochfahrendes Wesen dachte, an sein schamloses Eingeständnis dessen, was er Jane angetan hatte, an die beleidigende Selbstsicherheit, mit der er behauptete, richtig gehandelt zu haben, ohne sich jedoch rechtfertigen zu können, und dann auch an die herzlose Art, mit der er von Mr. Wickham geredet hatte, ohne den geringsten Versuch, seine brutale Handlungsweise gegen ihn zu leugnen —, nein, er war wirklich keines Mitleids wert.

35. KAPITEL
    A ls Elisabeth am nächsten Morgen erwachte, überfielen sie wieder dieselben quälenden Gedanken, mit denen sie am Abend eingeschlafen war. Ihr Staunen über das Vorgefallene hielt sie noch unvermindert gefangen, sie konnte an nichts anderes denken; und da sie auch nach dem Frühstück keine Lust verspürte, sich eine Beschäftigung vorzunehmen oder sich mit Charlotte zu unterhalten, beschloß sie, einen langen Spaziergang zu machen.
    Ihre Lieblingsplätze im Park aufzusuchen, hinderte sie die Furcht, daß sie dort Darcy begegnen könne, und sie wählte deshalb einen Weg, der sie in eine entgegengesetzte Richtung führte. Sie behielt aber den Park zu ihrer Linken, und als sie an einem der Tore vorüberkam, blieb sie stehen, um hineinzuschauen. Als sie sich wieder umwandte, glaubte sie jemand zwischen den Bäumen zu erblicken und beschleunigte ihre Schritte aus Angst, es könne Darcy sein. Aber sie war bereits gesehen worden; sie hörte rasche Schritte hinter sich hereilen und dann auch eine Stimme, die ihren Namen rief. Obgleich sie die Stimme als die Darcys erkannte, drehte sie sich wieder

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