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Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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Besitz verwaltete. Mein Vater wollte ihm natürlich seine treuen Dienste vergelten und wandte daher seine ganze große Güte dem Sohn George, seinem Patenkind, zu. Er ließ ihn die Schule besuchen und gab ihm später die Möglichkeit, in Cambridge zu studieren; ohne seine Hilfe hätte Wickham niemals seine vornehme Erziehung erhalten, da sein eigener Vater sich durch die Verschwendungssucht seiner Frau ständig in Geldnot befand. Mein Vater schätzte nicht nur die Gesellschaft dieses jungen Menschen, er hatte auch eine sehr hohe Meinung von ihm, und in der Erwartung, daß er den Beruf eines Geistlichen ergreifen werde, faßte er den Entschluß, ihn auch hierin zu unterstützen. Es ist schon sehr viele Jahre her, daß ich begann, mir eine eigene und ganz andere Meinung über meinen Jugendfreund zu bilden. Die Falschheit und die Unbeständigkeit seines Charakters, die er vor seinem väterlichen Freund geschickt zu verbergen verstand, konnten natürlich nicht auch vor seinem besten Freund geheimgehalten werden, der fast ständig mit ihm zusammen war und ihn in unbewachten und unbeherrschten Augenblicken zu sehen bekam. Ich muß Ihnen jetzt wieder einen Schmerz bereiten; wie groß er ist, weiß ich allerdings nicht. Aber welcher Natur auch die Gefühle sein mögen, die Wickham in Ihnen geweckt hat, sie werden mich nicht davon abhalten können, Ihnen seinen wahren Charakter zu enthüllen; im Gegenteil, sie sind ein Grund mehr, es zu tun. Mein guter Vater starb vor etwa fünf Jahren, und seine Liebe zu Wickham war bis zuletzt so unerschüttert geblieben, daß er mir auftrug, für seine Zukunft und sein Fortkommen in seinem Beruf auf jede Weise zu sorgen und ihm, falls er die Priesterweihe erhielte, die Pfarre in einer unserer Gemeinden zu übertragen, sobald sie frei würde. Außerdem sollte er gleichzeitig eine Summe von eintausend Pfund erhalten. Wickhams Vater überlebte den meinen nicht lange, und ein halbes Jahr darauf teilte Wickham mir mit, daß er sich doch nicht der geistlichen, sondern der juristischen Laufbahn zuwenden wolle; er hoffe, ich würde es nicht unbescheiden finden, wenn er eine größere sofortige Zahlung erbäte, da er ja nun nicht mehr Nutznießer der Pfarre werden könne. Er fügte hinzu, daß für sein Studium der Rechte eintausend Pfund kaum ausreichen würden, wie ich wohl einsehen werde. Ich wollte seiner Aufrichtigkeit mehr glauben, als ich ihr wirklich vertraute. Aber wie dem auch sein mochte, ich war gern bereit, auf seine Forderung einzugehen; denn ich wußte, Geistlicher wäre er niemals geworden. Die Angelegenheit war also bald geregelt. Er verzichtete auf jeden Anspruch auf die Pfarre, falls er jemals wieder zum geistlichen Beruf zurückkehren sollte, und nahm dafür dreitausend Pfund entgegen. Damit schien jede Verbindung zwischen uns gelöst. Ich hielt zu wenig von ihm, um ihn nach Pemberley oder zu mir in die Stadt einzuladen. Er hielt sich, glaube ich, zumeist in London auf. Von Studium war natürlich kaum die Rede; er benutzte seine Freiheit zu einem Leben voller Müßiggang und Vergnügungen. Drei Jahre lang hörte ich nichts weiter von ihm. Aber als dann die Pfarre frei wurde, die ihm ursprünglich zugedacht war, schrieb er mir und forderte mich auf, ihn dort einzusetzen. Er versicherte mir — und ich glaubte ihm dies gern —, daß er in sehr dürftigen Umständen lebe. Er habe das Studium der Rechte als aussichtslos aufgegeben und wünsche jetzt trotz allem, Pfarrer zu werden; die Berechtigung zu seiner Forderung stehe wohl außer Zweifel, da ich ja für niemand anders zu sorgen habe und unmöglich den letzten Wunsch meines verehrten Vaters vergessen haben könne. — Sie werden mir schwerlich einen Vorwurf daraus machen dürfen, daß ich mich weigerte, seiner Aufforderung nachzukommen, und mir auch jede Wiederholung verbat. Seine Wut war ebenso groß wie seine Notlage; und ich bin sicher, daß er mich seinen Freunden gegenüber nicht weniger heftig beschimpfte als in seinen Briefen an mich selbst. Danach brach ich jede Beziehung zu ihm ab. Wie und wo er lebte, wußte ich nicht. Aber im letzten Sommer tauchte er wieder auf. Ich muß jetzt etwas erwähnen, woran ich mich höchst ungern wieder erinnere und worüber ich niemals zu einem anderen Menschen gesprochen hätte, wenn nicht die Umstände es mich jetzt tun hießen. Ich glaube, es bedarf keiner weiteren Worte, um Ihrer Verschwiegenheit versichert zu sein.
    Meine um zehn Jahre jüngere Schwester war nach dem Tode meines

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