Stolzes Herz und heiße Küsse (German Edition)
blauen Augen sprühten vor Wut. „ Ein gemeinsamer Bekannter? Ist ja nicht zu fassen. Außerdem kann Harry nicht deine Anstandsdame spielen. Diese Aufgabe kommt mir zu. Ich werde dich an Harrys statt begleiten.“
Juliet presste die Lippen aufeinander, damit sie nicht etwas sagte, was besser ungesagt blieb. Harry würde es im Carlton House höchstens fünf Minuten gefallen. Dann würde ihn das ganze Gehabe der vornehmen Gesellschaft ungeduldig machen, und das reichhaltige Essen, das beim Prinzregenten aufgefahren wurde, wäre auch nicht nach seinem Geschmack – er aß am liebsten Beefsteak.
„Du hast recht. Du wirst eine viel bessere Anstandsdame abgeben. Harry macht das bestimmt nichts aus.“
Emily stelzte zur Tür. Die Hand schon am Türknauf, sagte sie: „Was Harry dazu sagt, ist gleichgültig. Ich komme mit. Wenn du etwas dagegen hast, kannst du dich ja an deinen Vater wenden.“
Juliet zuckte zusammen. Emily hatte Papa so weit gebracht, dass er ihr jeden Wunsch von den Augen ablas. Der ganze Haushalt wusste das, weswegen sie keiner verärgern wollte.
Bei dem Gedanken an Papa fiel ihr ein, dass sie ihn gern sehen wollte. Sie schaute auf die kleine silberne Kaminuhr. Zwei Uhr nachmittags. Jetzt hielt er sich vermutlich im Keller auf, den er sich zu einem provisorischen Labor für seine Experimente hatte ausbauen lassen. Nur das Genörgel seiner neuen Gattin hatte ihn überhaupt zu dem Besuch in London veranlasst.
Juliet schnappte sich ein Umschlagtuch gegen die kühle, feuchte Kellerluft. Sie verstand nicht, wie Papa es den ganzen Tag dort aushalten konnte, ohne sich eine Lungenentzündung zuzuziehen, aber er konnte es.
Ein paar Minuten später schob sie die schwere Eichentür auf. „Papa?“
„Herein, herein“, sagte er abwesend.
Geräuschlos schlüpfte sie in den Raum. Papa saß gerade an irgendeinem Experiment, und er hasste es, in seiner Konzentration gestört zu werden. Sein Arbeitstisch war von Papieren und wissenschaftlichen Gerätschaften übersät. Er hantierte gerade mit etwas, was wie ein Stapel Metallteller aussah. Ein Lichtbogen kam herausgeschossen – Papa nannte das Elektrizität. Er sprang zurück, übers ganze Gesicht strahlend.
„Na also, das lob ich mir“, sagte er stolz. Er wischte sich die Hand an seiner Lederschürze ab, die sich über seinem Bauch spannte, und sah zu Juliet. „Was führt dich her, Mädchen? Willst du dir meine neueste Errungenschaft anschauen?“
Sie hatte sein Steckenpferd schon immer faszinierend gefunden, es allerdings nie verstanden, wenn er ihr etwas erklärte. „Ja, bitte.“
„Dann komm hier rüber.“
Die viereckigen Augengläser thronten verwegen auf seiner knolligen Nasenspitze. „Das hier ist eine Volta-Säule, die erste elektrische Batterie. Ich versuche, sie zu verkleinern und stärker zu machen.“
Sie nickte. Dem konnte sie noch folgen. Doch als er sich immer mehr der Fachsprache bediente und alle möglichen Maschinen und Metallteile herauszuziehen begann, verstand sie kein Wort mehr. Aber sie nickte auch weiterhin und sagte: „Aha!“
Nach einer Weile gingen ihm die Worte aus. Er spähte über seine Brille hinweg und fragte: „Warum bist du eigentlich gekommen?“
„Um dich zu sehen“, sagte sie und meinte es auch so.
„Du hast dich schon tagelang nicht mehr beim Abendessen oder beim Frühstück blicken lassen.“
Er sortierte seine Geräte in dem vergeblichen Versuch, den Tisch aufzuräumen. „Ich bin so nahe dran. Da will ich mir nicht mal die Zeit zum Essen nehmen. Aber die liebe, gute Emily hat mir ja etwas zu essen hinunterschicken lassen. Ich weiß nicht, was ich ohne sie anfangen sollte.“ Ein vernarrter Ausdruck trat auf sein Gesicht und glättete die Falten zwischen seinen ergrauten Augenbrauen.
Juliet hätte fast gestöhnt. Sie war es nämlich, die die Tabletts für ihn richten ließ. Emily nutzte die Gelegenheit nur aus und begleitete den Diener, wenn der das Essen in den Keller brachte, und erweckte damit den Anschein, dass es ihre Idee gewesen sei. Doch als sie ihren Papa so glücklich sah, behielt Juliet die Wahrheit für sich. Der Gedanke, seine junge Frau sorge sich nicht um sein Wohlergehen, würde ihm nur wehtun.
„Soll ich eine der Zofen herunterschicken, damit sie hier mal Ordnung schafft?“
Sein Blick wurde scharf. „Ganz gewiss nicht. Sie würde nur alles durcheinanderbringen und meine wertvollsten Stücke zerbrechen.“
Das war die übliche Antwort. Wenn er sich dann später zu seinem
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