Stoner: Roman (German Edition)
allein mit drei schwarzen, nahezu gleichaltrigen Dienstboten in einem jener großen Häuser aus der Vorbürgerkriegszeit, die in Columbia einmal weit verbreitet gewesen waren, nun aber rasch dem Vordrängen zahlreicher Neubausiedlungen und kleiner, unabhängiger Farmer samt ihren Gebäuden wichen. Der Stil des Hauses war gefällig, jedoch nicht näher bestimmbar; und auch wenn es in seiner Weitläufigkeit undallgemeinen Anlage einer ›Südstaatenvilla‹ glich, fehlte die neoklassizistische Strenge eines typischen Virginia-Hauses. Die Fassaden waren weiß gestrichen und die Fenster grün, wie die Balustraden der kleinen Balkone, die hier und da im oberen Stock vorlugten. Das Grundstück ging in einen Wald über, der das Anwesen umgab, und hohe Pappeln, kahl an diesem Dezembertag, säumten Auffahrt und Wege. Es war das prächtigste Haus, dem William Stoner sich je genähert hatte, und an besagtem Freitagnachmittag schritt er ein wenig befangen über die Zufahrt, um sich zu einer Gruppe ihm unbekannter Fakultätsmitglieder zu gesellen, die vor der Haustür darauf warteten, eingelassen zu werden.
Gordon Finch, noch in Uniform, öffnete ihnen die Tür; die Gruppe betrat ein kleines, quadratisches Foyer, an dessen Ende eine steile Treppe mit poliertem Eichengeländer in den ersten Stock führte. Den eintretenden Männern direkt gegenüber hing ein französischer Wandteppich, dessen Blau und Gold so verblichen waren, dass man sein Muster im trüben gelben Licht der schwachen Glühbirnen kaum erkennen konnte. Stoner besah ihn sich aufmerksam, während sich jene, die mit ihm ins Haus gekommen waren, in dem kleinen Foyer unterhielten.
»Gib mir deinen Mantel, Bill.« Die Stimme, so nah an seinem Ohr, ließ ihn zusammenfahren. Er drehte sich um. Finch lächelte und bat um den Mantel, den Stoner noch nicht abgelegt hatte.
»Du bist noch nie hier gewesen, stimmt’s?«, fragte Finch im Flüsterton. Stoner schüttelte den Kopf.
Finch wandte sich den übrigen Männern zu und verschaffte sich Gehör, ohne die Stimme zu heben. »Meine Herren, gehen Sie bitte in den großen Salon.« Er wies zueiner Tür auf der rechten Foyerseite. »Es sind bereits fast alle da.«
Dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf Stoner. »Ein prächtiges altes Haus«, sagte er, während er Stoners Mantel in einen großen Wandschrank unterhalb der Treppe hängte. »Eines der wahren Schmuckstücke dieser Gegend.«
»Ja«, erwiderte Stoner. »Ich habe davon reden hören.«
»Und Dekan Claremont ist ein prächtiger alter Mann. Er hat mich gebeten, gewissermaßen an seiner statt ein Auge auf den Ablauf des heutigen Abends zu haben.«
Stoner nickte.
Finch nahm ihn am Arm und führte ihn zu jener Tür, auf die er zuvor gedeutet hatte. »Wir müssen uns später noch ein wenig unterhalten, aber jetzt geh erst einmal rein. Ich komme gleich nach. Es gibt da ein paar Leute, die du unbedingt kennenlernen solltest.«
Als Stoner antworten wollte, hatte Finch sich bereits abgewandt, um eine weitere Gruppe zu begrüßen, die gerade ins Haus gekommen war. Stoner holte tief Luft und öffnete die Tür zum großen Salon.
Da er aus dem kalten Foyer kam, schlug ihm die Wärme entgegen, als wollte sie ihn zurückdrängen; beim Öffnen der Tür schwoll das Gemurmel einen Augenblick lang an, dann hatte sich sein Gehör daran gewöhnt.
Etwa zwei Dutzend Gäste hielten sich im Raum auf, und einen Moment lang meinte er, niemanden zu kennen; er sah das nüchterne Schwarz, Grau und Braun der Männeranzüge, das Olivgrün der Uniformen und hier und da das zarte Rosa oder Blau eines Frauenkleides. Träge bewegten die Gäste sich durch die Wärme, und er bewegte sich mit ihnen, war sich, wenn er an den Sitzenden vorbeiging, seiner Körpergrößebewusst und nickte Gesichtern zu, die ihm unbekannt waren.
Am gegenüberliegenden Ende führte eine weitere Tür in einen gediegenen Salon, der an den langen Speisesaal grenzte. Die Doppeltür zum Saal stand offen und gab den Blick auf einen mächtigen Walnusstisch frei, der mit gelbem Damast, weißem Geschirr und blitzenden Silberschüsseln gedeckt war. Mehrere Leute hatten sich um den Tisch versammelt, an dessen Kopf eine junge Frau mit hellbraunem Haar, schlank und hochgewachsen, in einem Kleid aus blauer Moiréseide, Tee in goldrandige Porzellantassen goss. Wie gefangen von ihrem Anblick verharrte Stoner in der Tür. Ihr schmales zart geformtes Gesicht lächelte den Umstehenden zu, und die feingliedrigen, fast fragilen Finger
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