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Stoner: Roman (German Edition)

Stoner: Roman (German Edition)

Titel: Stoner: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Williams
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Blutschwall aus aufgeschlitzter Kehle. Er dachte über den Unterschied zwischen diesen Sterbensarten nach, darüber, was er zu bedeuten hatte, und spürte, wie in ihm jene Bitterkeit wuchs, die er einmal im Herzen seines Freundes David Masters entdeckt zu haben meinte.
    Das Thema seiner Doktorarbeit lautete »Der Einfluss der Antike auf die mittelalterliche Lyrik«. Einen Großteil des Sommers verbrachte er folglich damit, erneut die lateinischen Dichter zu lesen, die klassischen wie die mittelalterlichen, insbesondere ihre Gedichte über den Tod. Und wieder erstaunte ihn die leichte, würdevolle Haltung, mit der diese römischen Dichter die Tatsache des Todes akzeptierten, als wäre das Nichts, das sie erwartete, ein Tribut an den Reichtum der genossenen Jahre; und er staunte über die Bitterkeit, die Angst, den kaum verhüllten Hass, dem er bei einigen der späteren christlich-lateinischen Dichter begegnete, sobaldsie sich mit dem Tod befassten, der ihnen doch, wie vage auch immer, eine herrliche, ekstatische Ewigkeit versprach. Sie lasen sich, als wären ihnen Tod und Verheißung nur eine Farce, die ihnen die Tage ihres Lebens trübten. Dachte Stoner an Masters, sah er in ihm einen Catull oder einen sanfteren, lyrischeren Juvenal, einen Exilanten im eigenen Land; und sein Tod wurde für ihn zu einem weiteren Exil, seltsamer und dauerhafter, als er es je gekannt hatte.
    Als das Herbstsemester 1918 begann, nahm man allgemein an, dass der Krieg in Europa nicht mehr lange dauern könne. Die letzte, verzweifelte Gegenoffensive der Deutschen wurde vor Paris gestoppt, und Marschall Foch befehligte einen Gegenangriff der Alliierten, der die Deutschen rasch in die Ausgangsstellungen zurücktrieb. Im Norden rückten die Briten vor, und die Amerikaner marschierten durch den Argonner Wald, wenn auch unter Opfern, die in der allgemeinen Begeisterung meist übersehen wurden. Die Zeitungen gingen davon aus, dass die Deutschen noch vor Weihnachten kapitulierten.
    Das Semester begann daher in einer Atmosphäre angespannten Hochgefühls und Wohlbefindens. Studenten und Dozenten ertappten sich dabei, wie sie einander auf den Fluren zulächelten und eifrig nickten; Anfälle von Ausgelassenheit und leichter Gewalt unter den Studenten wurden von Fakultät und Verwaltung ignoriert, und ein unbekannter Student wurde über Nacht zu einer Art Volksheld, als er eine der riesigen Säulen vor der Jesse Hall hinaufkletterte und an ihrer Spitze den Kaiser in Gestalt einer Strohpuppe aufhängte.
    Der einzige Mensch an der Universität, den die allgemeine Aufregung kalt zu lassen schien, war Archer Sloane. SeitAmerikas Eintritt in den Krieg hatte er sich immer stärker zurückgezogen, was noch deutlicher wurde, je mehr sich der Krieg dem Ende näherte. Sloane redete nicht mit seinen Kollegen, sofern ihn Fachbereichsangelegenheiten nicht dazu zwangen, und man flüsterte sich zu, sein Unterricht sei derart exzentrisch geworden, dass Studenten die Vorlesungen zu fürchten begannen; dumpf und mechanisch trug er seine Anmerkungen vor, sah den Studenten nie ins Gesicht und verstummte oft, wenn er auf seine Notizen blickte, woraufhin ein, zwei, manchmal gar fünf Minuten Stillschweigen folgten, in denen er sich nicht rührte und auch nicht auf die verlegenen Fragen seiner Zuhörer reagierte.
    William Stoner sah ein letztes Mal eine Spur von jenem brillanten, ironischen Mann, den er in Studententagen gekannt hatte, als Archer Sloane ihm seine Lehraufgaben für das laufende akademische Jahr zuteilte. Sloane betraute Stoner mit zwei Anfängerkursen Einführung ins wissenschaftliche Schreiben sowie mit einem Einführungskurs in Mittelenglisch für höhere Semester. Und dann sagte er mit einem Anflug der alten Ironie: »Wie so viele unserer Kollegen und nicht wenige Studenten wird es Sie gewiss freuen zu erfahren, dass ich eine Reihe meiner Seminare aufgeben werde. Dazu gehört mein überaus unbeliebtes Lieblingsseminar, der Einführungskurs in die englische Literatur. Sie erinnern sich?«
    Stoner nickte lächelnd.
    »Ja«, fuhr Sloane lächelnd fort, »das habe ich mir gedacht. Ich möchte Sie bitten, diesen Kurs zu übernehmen. Kein großartiges Geschenk, ich weiß, aber ich dachte, es könnte Ihnen gefallen, Ihre Karriere als Lehrer dort zu beginnen, wo Sie selbst als Student angefangen haben.« Sloane schauteihn einen Moment lang an, der Blick wach, die Augen leuchtend wie vor dem Krieg. Dann überzog sie wieder der Schleier der Gleichgültigkeit; und

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