Stoner: Roman (German Edition)
Unbeholfenheit. Als er das Weiche zwischen den Oberschenkeln berührte, drehte sie abrupt den Kopf zur Seite und hob einen Arm, um die Augen zu bedecken. Sie gab keinen Laut von sich.
Hinterher lag er neben ihr und redete zu ihr in der Stille seiner Liebe. Da hatte sie die Augen offen und starrte ihn aus dem Schatten heraus an, das Gesicht ausdruckslos. Plötzlich warf sie die Decke von sich und eilte ins Bad. Er sah das Licht angehen und hörte sie laut und erbärmlich würgen. Er rief ihren Namen, ging hinüber, aber die Badezimmertür war verschlossen. Er rief erneut, sie gab keine Antwort. Er ging zurück ins Bett und wartete. Nach mehreren Minuten Stilleerlosch das Licht im Bad, die Tür ging auf. Edith kam heraus und trat steif ans Bett.
»Es war der Champagner«, sagte sie. »Das zweite Glas hätte ich nicht trinken sollen.«
Sie zog die Decke über sich und wandte ihm den Rücken zu; gleich darauf ging ihr Atem fest und regelmäßig; sie war eingeschlafen.
V
ZWEI TAGE FRÜHER ALS GEPLANT kehrten sie nach Columbia zurück, von ihrer Isolation erschöpft und so ruhelos, als lebten sie gemeinsam in einem Gefängnis. Edith sagte, sie sollten nach Columbia fahren, damit William seinen Unterricht vorbereiten und sie damit anfangen könne, es in ihrer neuen Wohnung gemütlich zu machen. Stoner willigte sofort ein – und sagte sich, dass es gewiss besser werden würde, wenn sie erst in ihren eigenen Räumen lebten und unter Menschen waren, die sie kannten, in einer vertrauten Umgebung. Am Nachmittag packten sie und saßen noch am selben Abend im Zug nach Columbia.
In den hektischen, chaotischen Tagen vor der Hochzeit hatte Stoner nur fünf Häuserblocks von der Universität entfernt eine freie Wohnung im ersten Stock eines alten, scheunenähnlichen Gebäudes gefunden. Sie war leer und düster und bestand aus einem kleinen Schlafzimmer, einer winzigen Küche und einem großen Wohnzimmer mit hohen Fenstern. Zuvor hatte ein Künstler darin gewohnt, ein Dozent, der nicht allzu sauber gewesen war; die dunklen, breiten Dielen waren übersät mit leuchtend gelben, blauen und roten Flecken, die Wände mit Dreck und Farbspritzern verschmiert. Stoner fand die Wohnung romantisch und geräumig und hielt sie für einen guten Ort, um ein neues Leben anzufangen.
Edith zog in die neue Wohnung, als wäre sie ein Feind, den es zu erobern galt. Obwohl sie körperliche Arbeit nicht gewohnt war, scheuerte sie die Farbkleckse von Boden und Wänden und fiel grimmig über den Dreck her, den sie überall verborgen glaubte. Ihre Hände bekamen Blasen, und sie sah müde aus, hatte dunkle Ringe um die Augen. Als Stoner zu helfen versuchte, wurde sie störrisch, presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf; er brauche die Zeit für seine Studien, sagte sie; dies hier sei ihre Aufgabe. Als er ihr seine Hilfe aufdrängte, reagierte sie mürrisch und beleidigt. Verwirrt und ratlos zog er sich zurück und sah verdrossen zu, wie Edith unbeholfen fortfuhr, den glänzenden Boden und die Wände zu schrubben, an den hohen Fenstern ungleich lang genähte Vorhänge aufzuhängen und die gebrauchten Möbel, die sich allmählich ansammelten, zu reparieren, zu streichen und erneut zu übermalen. Ihrer Ungeschicktheit zum Trotz arbeitete sie mit einer stummen, wilden Entschlossenheit und war meist völlig erschöpft, wenn William am Nachmittag von der Universität nach Hause kam. Mit letzter Kraft machte sie ihm dann das Abendessen, aß selbst nur wenige Bissen und verschwand schließlich mit einem Murmeln im Schlafzimmer, um wie betäubt im Bett zu liegen, bis William am nächsten Morgen wieder zum Unterricht aus dem Haus gegangen war.
Nach einem Monat wusste er, dass seine Ehe scheitern würde, nach einem Jahr hoffte er nicht mehr darauf, dass es je besser werden würde. Er lernte, mit der Stille zu leben und nicht auf seiner Liebe zu beharren. Wenn er zärtlich mit ihr redete oder sie berührte, wandte sie sich von ihm ab, kehrte sich nach innen und wurde wortlos, erduldete ihn und triebsich noch Tage später zu äußerster Erschöpfung. Aus einer unausgesprochenen Sturheit, die ihnen beiden eigen war, teilten sie weiterhin dasselbe Bett, und manchmal rückte sie im Schlaf unwissentlich an ihn heran. Und manchmal dann zerbrachen Entschlossenheit und besseres Wissen vor seiner Liebe, und er legte sich auf sie. War sie wach, verkrampfte und versteifte sie sich, wandte den Kopf in vertrauter Geste ab und vergrub das Gesicht im Kissen, erduldete
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