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Stoner: Roman (German Edition)

Stoner: Roman (German Edition)

Titel: Stoner: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Williams
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ging er dann selbst nach unten in die Bar und bat, man möge eine Flasche Champagner kaltstellen und in einer Stunde nach oben schicken. Der Barkeeper nickte mürrisch und sagte, dass es aber kein guter Champagner sei. Seit dem 1. Juli gelte landesweit die Prohibition, und es sei nun verboten, Alkohol zu brennen. Im Keller des Hotels gebe es kaum mehr als fünfzig Flaschen Champagner unterschiedlicher Sorten. Außerdem würde er ihm mehr berechnen müssen, als der Champagner eigentlich wert sei. Stoner lächelte und sagte, das gehe schon in Ordnung.
    Zu besonders feierlichen Anlässen hatte Edith im Haus ihrer Eltern gelegentlich schon einen Schluck Wein getrunken, nie zuvor aber Champagner probiert. Beim Essen, das auf einem kleinen, quadratischen Tisch im Wohnzimmer angerichtet worden war, warf sie nervöse Blicke auf die seltsame Flasche im Eiskübel. Zwei weiße Kerzen glommen in matten Messinghaltern unstet gegen die Dunkelheit an; alle übrigen Lichter hatte William gelöscht. Während sie sich unterhielten, flackerte der Widerschein der Kerzen; ihr Licht fing sich in der sanften Wölbung der dunklen Flasche und glitzerte über das Eisbett. Sie waren nervös und auf gleichsam vorsichtige Weise gut gelaunt.
    Ungeschickt zog er den Korken aus dem Champagner; der laute Knall ließ Edith zusammenzucken; weißer Schaum sprudelte aus dem Flaschenhals und lief ihm über die Hand. Sie lachten über seine Tollpatschigkeit, tranken einen Schluck, und Edith tat, als wäre sie beschwipst. Sie leerten ein zweites Glas. William meinte zu sehen, wie Editheine gewisse Mattigkeit überkam, Stille sich auf ihr Gesicht senkte, Nachdenklichkeit die Augen verdunkelte. Er stand auf und trat neben dem kleinen Tisch hinter sie, legte die Hände auf ihre Schultern und staunte über seine dicken, schweren Finger auf ihrer zarten Haut, den zarten Knochen. Unter seiner Berührung versteifte sie sich, und er strich mit seinen Händen behutsam über den schlanken Hals, ließ sie sanft über das feine rötliche Haar wandern. Ihr Hals war stockstarr und so angespannt, dass die Sehnen pulsierten. Mit beiden Händen griff er unter ihre Arme und hob sie an, damit sie sich von ihrem Platz erhob; er drehte sie zu sich um. Ihre Augen, weit offen und blass, im Kerzenlicht beinahe durchsichtig, schauten ihn mit leerem Blick an. Er empfand eine ferne Nähe, Mitleid für ihre Hilflosigkeit; Verlangen schnürte ihm die Kehle zu, sodass er kein Wort hervorbrachte. Er zog sie ein wenig in Richtung Schlafzimmer und spürte raschen, störrischen Widerstand, merkte aber, wie sie im selben Augenblick willentlich diesen Widerstand verdrängte.
    Er ließ die Tür zum kaum erhellten Schlafzimmer offen; Kerzenlicht glomm in der Dunkelheit. Er murmelte, als wollte er sie trösten, sie beruhigen, doch erstickten seine Worte, sodass er sich selbst nicht hören konnte. Er legte die Hände auf ihren Körper und mühte sich mit den Knöpfen ab, durch die sie sich für ihn öffnen würde. Ohne es persönlich zu meinen, stieß sie ihn jedoch fort, hielt im Dämmerlicht die Augen geschlossen, die Lippen zusammengepresst, wandte sich von ihm ab und löste mit rascher Bewegung das Kleid, das sich gleich darauf um ihre Füße fältelte. Arme und Schultern waren nackt; und als wäre ihr kalt, schauderte sie und sagte mit tonloser Stimme: »Warte nebenan. Ich bin in einer Minutefertig.« Er berührte ihre Arme, presste seine Lippen an ihre Schulter, aber sie wollte sich nicht zu ihm umdrehen.
    Im Wohnzimmer starrte er in die Kerzen, die über den Resten ihres Abendessens wachten, in der Mitte die Champagnerflasche, noch halb voll. Er schenkte sich einen Schluck ein und nippte daran; der Schaumwein war warm geworden und schmeckte süßlich.
    Als er wieder eintrat, lag Edith im Bett, die Decke bis ans Kinn gezogen, das Gesicht nach oben gewandt, die Augen geschlossen, auf der Stirn eine schmale Falte. So leise, als schliefe sie, zog Stoner sich aus und kroch zu ihr. Augenblicke lang lag er da mit seinem Verlangen, das etwas Unpersönliches geworden war und ihm allein gehörte, dann redete er mit Edith, als suchte er eine Zuflucht für das, was er fühlte; sie gab keine Antwort. Er berührte sie, tastete unter dem dünnen Tuch des Nachtgewands über ihre Haut, ein Gefühl, nach dem er sich sehnte. Dann streichelte er sie; Edith rührte sich nicht; die Falte wurde tiefer. Erneut begann er zu reden, sagte ihren Namen in die Stille, legte dann seinen Leib auf ihren, sanft in aller

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