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Stoner: Roman (German Edition)

Stoner: Roman (German Edition)

Titel: Stoner: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Williams
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mitgebrachten Kleider; sie ließ sich das Haar kurz schneiden und nach neuester Mode frisieren; und sie kaufte Kosmetikartikel und Parfüms, deren Gebrauch sie täglich auf ihrem Zimmer übte. Sie lernte zu rauchen und gewöhnte sich eine neue Art zu reden an, ein sprödes, unbestimmtes, leicht schrill klingendesEnglisch. Nach Columbia kehrte sie erst zurück, als sie eins mit den äußeren Veränderungen geworden war; eine weitere mögliche Veränderung hielt sie noch geheim.
    Während der ersten Monate nach ihrer Rückkehr sprühte sie vor Energie und hielt es offenbar nicht länger für nötig, sich einzureden, dass sie krank oder schwach war. Sie trat einer kleinen Theatergruppe bei und widmete sich ganz den Aufgaben, die ihr zugewiesen wurden, entwarf und malte Bühnenbilder, sammelte Geld für die Truppe und übernahm sogar einzelne kleine Rollen. Wenn Stoner nachmittags nach Hause kam, war das Wohnzimmer voll mit ihren Freunden, fremden Menschen, die ihn wie einen Eindringling anstarrten und denen er freundlich zunickte, ehe er sich in sein Arbeitszimmer verzog, durch dessen Wände gedämpft ihre deklamierenden Stimmen drangen.
    Edith kaufte ein gebrauchtes Klavier und ließ es ins Wohnzimmer stellen, direkt an die Wand zu Williams Arbeitszimmer. Sie hatte das Klavierspielen kurz vor der Heirat aufgegeben und musste fast wieder von vorn beginnen, übte Tonleitern, probierte Stücke, die viel zu schwer für sie waren, und spielte oft zwei, drei Stunden am Tag, meist abends, wenn Grace bereits im Bett lag.
    Die Studentengruppen, die Stoner zu Gesprächen in sein Arbeitszimmer lud, wurden größer, die Treffen häufiger, und Edith gab sich nicht länger damit zufrieden, oben zu bleiben und sich von diesen Versammlungen fernzuhalten. Sie bestand darauf, Tee oder Kaffee zu servieren, und blieb danach gleich im Zimmer, redete laut und aufgekratzt und schaffte es, das Gespräch auf ihre Arbeit im kleinen Theater zu lenken, auf ihre Musik, ihre Malerei und Bildhauerei, mit der sie (wie sie verkündete) beginnen wolle, sobald sie Zeit dafürfinde. Die so verblüfften wie verlegenen Studenten blieben bald aus, und Stoner begann, sich mit ihnen auf einen Kaffee in der Cafeteria der Universität oder in einem der kleinen Cafés auf dem Campus zu verabreden.
    Ihr verändertes Benehmen ärgerte ihn nicht besonders, weshalb er sie deswegen nicht zur Rede stellte; sie schien ihm glücklich zu sein, wenn auch ihr Glück etwas aufgesetzt wirkte. Letztlich schrieb er es sich selbst zu, dass ihr Leben eine neue Richtung nahm, da er es ihr nicht möglich gemacht hatte, einen Sinn in ihrem gemeinsamen Leben zu finden, in ihrer Ehe. Folglich war es ihr gutes Recht, einen Sinn auf Gebieten zu finden, die mit ihm nichts zu tun hatten, und Wege zu gehen, auf denen er ihr nicht folgen konnte.
    Von seinem Erfolg als Lehrer und seiner wachsenden Popularität unter den besseren Magisteranwärtern ermutigt, begann Stoner im Sommer des Jahres 1930 mit einem neuen Buch. Er verbrachte jetzt nahezu seine gesamte freie Zeit im Arbeitszimmer. Zwar wahrten sie den Anschein, das Schlafgemach zu teilen, doch betrat er diesen Raum nur noch selten und niemals in der Nacht. Er schlief auf dem Sofa im Arbeitszimmer und bewahrte dort sogar seine Kleider in einem kleinen Eckschrank auf, den er selbst gebaut hatte.
    Er konnte mit Grace zusammen sein. Wie sie es sich während der langen Abwesenheit ihrer Mutter angewöhnt hatte, verbrachte sie viel Zeit mit ihrem Vater im Arbeitszimmer; Stoner beschaffte ihr sogar einen kleinen Stuhl und Tisch, damit sie einen Platz für ihre Hausarbeiten und zum Lesen hatte. Die Mahlzeiten nahmen sie meist allein ein, da Edith sich oft außer Haus aufhielt, und blieb sie doch einmal daheim, gab sie gewöhnlich kleine Partys für ihre Theaterfreunde, bei denen ein Kind unerwünscht war.
    Urplötzlich aber begann Edith wieder, länger zu Hause zu bleiben. Erneut nahmen sie ihre Mahlzeiten zu dritt ein, und Edith unternahm sogar gewisse Anstrengungen, sich um den Haushalt zu kümmern. Es wurde still; selbst das Klavier blieb ungenutzt, sodass sich Staub auf den Tasten sammelte.
    In ihrem gemeinsamen Leben waren sie an einem Punkt angelangt, an dem sie nur noch selten über sich oder übereinander sprachen, um das heikle Gleichgewicht nicht zu gefährden, das ihnen ihr Zusammenleben ermöglichte. Deshalb fragte Stoner erst, nachdem er lange gezögert und die möglichen Folgen bedacht hatte, ob etwas nicht in Ordnung sei.
    Sie

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