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Stoner: Roman (German Edition)

Stoner: Roman (German Edition)

Titel: Stoner: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Williams
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während jener Wochen eingeleitet worden waren, die sie nach dem Tod ihres Vaters ›daheim‹ in St. Louis verbracht hatte. Veränderungen, die verschärft und schließlich konkret und auf brutale Weise durch jene andere Veränderung wirksam wurden, die allmählich mit William Stoner vorging, als er merkte, dass er ein guter Lehrer werden könnte.
    Edith hatte die Beerdigung ihres Vaters seltsam unberührt gelassen. Während der langatmigen Zeremonie saß sie aufrecht und mit einer wie versteinerten Miene da, die sich auch dann nicht änderte, als sie an dem prächtig hergerichteten, fülligen Leichnam ihres Vaters in dem prunkvollen Sarg vorüberging. Auf dem Friedhof aber, als der Sarg ins schmale, mit Kunstrasenmatten ausgelegte Loch hinabgelassen wurde, barg sie das ausdruckslose Gesicht in den Händen und hob erst wieder den Kopf, als ihr jemand eine Hand auf die Schulter legte.
    Nach der Beerdigung verbrachte sie mehrere Tage auf ihrem alten Zimmer, jenem, in dem sie groß geworden war; ihre Mutter sah sie nur zum Frühstück und zum Abendessen. Besucher glaubten, sie habe sich vor Kummer zurückgezogen. »Sie standen sich sehr nahe«, deutete Ediths Mutter geheimnisvoll an. »Weit näher, als es den Anschein hatte.«
    Wie zum allerersten Mal aber ging Edith in ihrem Zimmer auf und ab, frei, berührte Wände und Fenster und prüfte, wie solide sie waren. Sie ließ sich einen Koffer voll mit Kindheitssachen vom Dachboden bringen und durchforstete die Schubladen ihrer Kommode, die über ein Jahrzehnt nicht mehr geöffnet worden waren. Leicht irritiert, doch mit einer Muße, als verfügte sie über alle Zeit der Welt, ging sie ihre Sachen durch, streichelte sie, drehte sie mal so, mal so und untersuchte sie mit einer fast feierlichen Sorgfalt. Als sie einen Brief entdeckte, den sie in Kindertagen erhalten hatte, las sie ihn so aufmerksam von Anfang bis Ende, als läse sie ihn zum ersten Mal; als sie eine vergessene Puppe fand, lächelte sie und strich über die angemalten Keramikwangen, als wäre sie wieder ein Kind, das beschenkt worden ist.
    Schließlich verteilte sie all ihre Kindersachen auf zwei ordentliche Haufen; zu dem einen gehörten Spielzeug und Nippes, das sie sich selbst zugelegt hatte, heimliche Fotos und Briefe von Schulfreundinnen, Geschenke, die ihr von fernen Verwandten gemacht worden waren; der andere Haufen enthielt all das, was ihr Vater ihr gegeben hatte, sowie Dinge, die in direktem oder indirektem Zusammenhang mit ihm standen. Letzterem Haufen widmete sie dann ihre ganze Aufmerksamkeit. Methodisch und mit einem ausdruckslosen Gesicht, das weder Wut noch Freude verriet, nahm sie diese Dinge und vernichtete sie eines nach dem anderen. Die Briefe und Kleider, die Füllung der Puppen, die Nadelkissen und Bilder verbrannte sie im Kamin; Ton- und Porzellanköpfe, Hände, Arme und Beine der Puppen zerstampfte sie in der Feuerstelle zu feinem Pulver; und was nach Brennen und Zerstampfen übrig blieb, fegte sie zusammen und spülte es die Toilette im angrenzenden Badezimmer hinunter.
    Als die Arbeit getan war – der Rauch aus dem Zimmer abgezogen, der Kamin gefegt und der verbliebene Besitz wieder in den Schubladen lag –, setzte sich Edith Bostwick Stoner an die Frisierkommode und betrachtete sich in dem kleinen Spiegel, dessen abgegriffene silberne Rückseite sich stellenweise schon löste, sodass ihr Bild hier und da nur unvollständig oder überhaupt nicht wiedergegeben wurde, was ihrem Gesicht ein eigenartig unvollständiges Aussehen verlieh. Sie war dreißig Jahre alt. Ihr Haar verlor den jugendlichen Glanz, winzige Fältchen zeigten sich rund um die Augen, und die Haut über ihren vorspringenden Wangenknochen begann sich zu straffen. Sie nickte dem Bild im Spiegel zu, stand abrupt auf und ging nach unten, wo sie sich zum ersten Mal seit Tagen vergnügt und fast vertraulich mit ihre Mutter unterhielt.
    Sie wolle, sagte sie, sich verändern. Zu lange sei sie gewesen, was sie war; sie erzählte von ihrer Kindheit, ihrer Ehe. Und aus Quellen, über die sie reden konnte, wenn auch nur vage und unbestimmt, schuf sie sich ein Bild, dem sie gerecht zu werden wünschte. Fast die gesamten zwei Monate, die sie in St. Louis bei ihrer Mutter blieb, strebte sie nach dieser Selbstverwirklichung.
    Sie bat darum, sich eine gewisse Summe borgen zu dürfen, doch ihre Mutter machte ihr das Geld spontan zum Geschenk. Daraufhin kaufte sich Edith eine neue Garderobe und verbrannte die alten, aus Columbia

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