Stoner: Roman (German Edition)
der Luft und verklang. Vom Müll, der in Hinterhöfen verbrannt wurde, mischte sich Rauch in den Dunst, und während er langsam durch den Abend ging, diesen Geruch einatmete und auf der Zunge den scharfen Geschmack der Nachtluft schmeckte, war ihm, als genügte ihm dieser Augenblick, durch den er ging, als bräuchte er nicht viel mehr.
*
So begann seine Liebesaffäre.
Nur langsam wurde er sich seiner Gefühle für Katherine Driscoll bewusst. Immer öfter ertappte er sich dabei, dass er einen Vorwand suchte, nachmittags zu ihrer Wohnung gehen zu können; ihm fiel der Titel eines Buches, eines Artikels ein, und er notierte ihn, achtete dann aber darauf, Katherine Driscoll auf den Fluren von Jesse Hall nicht über den Weg zu laufen, damit er am Nachmittag zu ihr gehen und ihr den Titel nennen, eine Tasse Kaffee trinken und mit ihr plaudern konnte. Einmal verbrachte er einen halben Tag in der Bibliothek, um einen Beleg zu suchen, der eine These in ihrem zweiten Kapitel untermauerte, die ihm ansonsten fragwürdig erschienen wäre, dann wiederum schrieb er sorgsam einen Teil eines kaum bekannten lateinischen Manuskriptes ab, von dem die Bibliothek eine Kopie besaß, und konnte so gleich mehrere Nachmittage bei ihr sein, um ihr bei der Übersetzung zu helfen.
Während der Nachmittage, die sie gemeinsam verbrachten, gab sich Katherine Driscoll höflich, freundlich und reserviert und war auf ihre stille Weise dankbar für sein Interesse und die Zeit, die er für ihre Arbeit aufbrachte, während sie zugleich hoffte, ihn nicht von wichtigeren Dingen abzuhalten. Ihm kam gar nicht in den Sinn, dass er für sie etwas anderes sein könnte als ein aufmerksamer Professor, den sie bewunderte und dessen Hilfe, auch wenn sie noch so freundlich gewährt wurde, nur wenig mehr als das war, was er für seine Pflicht hielt. Sich selbst sah er als eine fast lächerliche Figur, für die niemand ein Interesse bekunden konnte, das über Unpersönliches hinausging; und nachdem er sich seine Gefühle für Katherine Driscoll schließlich eingestanden hatte, achtete er sorgsam darauf, sie nicht auf leicht zu durchschauende Weise zu verraten.
Über einen Monat kam er ein-, zweimal in der Woche in ihre Wohnung, blieb aber nie länger als zwei Stunden; und da er fürchtete, sein wiederholtes Erscheinen könnte ihr lästig werden, achtete er sehr darauf, nur dann zu kommen, wenn er wirklich etwas zu ihrer Arbeit beizutragen hatte. Mit beinahe grimmigem Humor ging ihm auf, dass er seine Besuche mit derselben Sorgfalt plante, mit der er seine Seminare vorbereitete, und er sagte sich, dass dies nun genug sei, dass er sich damit zufriedengeben müsse, sie zu sehen und mit ihr zu reden, solange sie seine Gegenwart ertrug.
Trotz seiner beflissenen Bemühungen verliefen die gemeinsam verbrachten Nachmittage jedoch zunehmend angespannt. Minutenlang hatten sie einander nichts zu sagen, nippten am Kaffee, vermieden es sich anzusehen und sagten »Nun …« in zögerlichem, zurückhaltendem Ton, um dann immer wieder Anlass zu finden, unruhig durchs Zimmer zu gehen und sich voneinander zu entfernen. Mit einem traurigen Gefühl, das heftiger war, als Stoner es erwartet hätte, sagte er sich, dass ihr seine Besuche zur Last fielen und dass es ihr allein die Höflichkeit verbat, ihn dies spüren zu lassen. Also traf er eine Entscheidung, die er längst vorhergeahnt hatte; er würde sich von ihr zurückziehen, ganz allmählich, als hätte er ihr alle Hilfe gewährt, die er ihr geben konnte, und auf eine Weise, die sie nicht merken ließ, dass ihm ihre Ruhelosigkeit aufgefallen war.
In der nächsten Woche sah er nur noch einmal bei ihr vorbei; und in der darauf folgenden Woche besuchte er sie überhaupt nicht. Allerdings hatte er nicht vorhergesehen, wie sehr ihm das zu schaffen machen würde; nachmittags saß er in seinem Büro und musste sich beinahe körperlich daran hindern aufzustehen, nach draußen zu eilen und zu ihrerWohnung zu gehen. Ein-, zweimal sah er sie von Weitem auf dem Flur, wenn sie auf dem Weg zu einem Seminar war oder aus einer Vorlesung kam, doch wandte er sich stets ab und ging in die andere Richtung, um ihr nicht zu begegnen.
Nach einer Weile begann er, sich eigenartig taub zu fühlen, und er sagte sich, nun würde es gut werden, in wenigen Tagen könne er ihr gewiss auf dem Flur begegnen, lächeln und ihr zunicken, sie vielleicht sogar für einen Moment aufhalten und fragen, wie sie mit ihrer Arbeit vorankomme.
Als er dann eines
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