STOP! (German Edition)
coole Kollegen und ich ve r diene Geld, von dem ich eigentlich ganz gut leben kann. Ich kann sagen, dass ich mich um 180 Grad gedreht hab. Und dass du genau das jetzt auch tun solltest. Ist nicht so schwer, wie man sich’s vorstellt.“
Emily war fassungslos. Sie schien ein offenes Buch zu sein. Wusste jeder, der sie ansah, dass sie sich umbringen wollte? Und von ihm hätte sie das nie gedacht. Er muss sich wirklich komplett geändert haben. Auf einmal wusste sie, dass sie es sagen konnte. Dass er sie sogar verstehen würde.
„Woher weißt du ...?“
„Keine Ahnung! Hab ich doch schon mal gesagt, ich weiß nicht, warum es so ist, als würden wir uns ewig kennen. Frag mich nicht!“
Er musste grinsen.
„Ich war mit sechzehn von der Schule gegangen und war damals ein bisschen pummelig gewesen.“ Sie musste, aus welchen Gründen auch immer, lächeln, als sie es sagte.
„Dann hab ich mich beworben für eine Stelle als Sekretärin und der Chef hat mich wirklich abgelehnt, weil er fand, ich sei zu dick und zu hässlich. Er hatte es anders formuliert und in der Öffentlichkeit natürlich andere Gründe genannt. Zu schlechte Qualifikationen und so weiter ... aber, als ich beim Vorstellungsgespräch allein mit ihm war, hatte er es ungefähr so gesagt. Und er meinte, ich werde so nirgends eine Stelle als Sekretärin finden. Vielleicht hatte er auch gerade einen schlechten Tag gehabt, aber es hat mir ganz schön zugesetzt. Und so fing es an, dass ich mich selbst noch mehr hasste als zuvor und noch weniger Selbstbewusstsein hatte. Also wollte ich dünn werden, damit ich eine Chance als Sekretärin hatte. Idiotisch, das weiß ich heute. Aber damals wusste ich mir nicht anders zu helfen. Ich habe aufgehört zu essen.“ Sie machte eine kurze Pause. „Man gewöhnt sich viel zu schnell daran. Es tut gut, stolz auf sich selbst zu sein, wenn man ein Tagesziel erreicht hat. Das war bei mir immer unter tausend Kalorien am Tag gewesen. Fast nichts war das. Es ging relativ schnell, die Pfunde purzelten und ich hab mich wieder beworben, in einem anderen Unternehmen allerdings, doch da wurde ich nochmals abgelehnt. Also musste ich weiter hungern. Es gab niemanden, den es gekümmert hat. Aufmerksamkeit konnte ich damit leider nicht wirklich b e kommen. Für Jacqueline war es ganz normal, sie hatte nicht bemerkt, dass ich zu dünn war. Sie selbst war auch sehr schmal gewesen. Da war einfach niemand, der sich darum kümmerte, also machte ich weiter und weiter. Es ging mir immer schlechter damit, ich habe viel geschlafen und mich immer schlapp gefühlt. Irgendwann habe ich eine Stelle b e kommen. Ich hatte endlich eine Ausbildung und dachte, ich könnte jetzt wieder normal essen. Aber es ging nicht. Ich kam da nicht mehr raus. Ich kannte das Gefühl, Hunger zu haben gar nicht mehr, weil ich es Monate lang immer ausgeblendet hatte. Ich wusste, dass es so nicht weitergehen konnte, aber ich konnte nichts dagegen tun, obwohl ich es wirklich versucht hatte. Als ich dünner war, habe ich mir leider auch nicht besser gefallen als vorher. Ich habe mich noch immer ve r abscheut. Und dann hatte mir die Ausbildung nicht gefallen, weil ich mich dort einfach nicht einfinden konnte. Die Leute sahen mich schräg von der Seite an und niemand wollte etwas mit mir zu tun haben. Die Arbeit an sich gefiel mir auch nicht und das alles zusammen führte dann dazu, dass ...“
Sie stockte kurz, sie brachte es einfach nicht über die Lippen, so schämte sie sich noch immer.
„Dass du versucht hast, dich umzubringen?“, half er ihr.
Sie nickte einfach nur leicht.
„Am Anfang ging es noch. Da habe ich meine Aggressiv i tät und meinen Hass an Gegenständen ausgelassen. Es gab Tage, an denen es so schlimm war und ich mich selbst noch mal so sehr hasste, für das, was ich tat, dass ich mein Essen durch die Wohnung schmiss oder mit Messern darauf einstach. Ich war völlig krank gewesen. Ich habe mein Mittagessen, eine Gurke, massakriert, weil ich es nicht mehr ertragen konnte. Das alles muss sehr komisch klingen ... du verstehst es sicher nicht ...“
„Na ja, bis eben hätte ich darüber gelacht und es wirklich nicht verstanden, wie man eine Gurke massakrieren kann. Aber nach deiner Erzählung nicht mehr. Auch wenn es jetzt noch so seltsam klingen mag für dich, ich verstehe, wovon du sprichst. Ich hatte viel Aggressivität in mir und hab sie nicht immer nur an Gegenständen oder an Gemüse ausgelassen. Sach- und Personenschäden sind mir gewiss keine
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