STOP! (German Edition)
schnell in die Menge.
Hauptsache fort. Ich brauche frische Luft, ich muss klar denken. Die Angst ist wieder da. Warum kann man sein G e hirn nicht einfach mal abschalten?! Ich drücke mich durch die Leute. Leute, die heute einfach nur feiern wollen. Vielleicht sind hier auch welche, die auch einfach alles vergessen wollen. Plötzlich zieht mich jemand zu sich. Wer ist denn das? Ich habe doch keinen angetanzt. „Wo willst du denn hin? Schätzchen, du bleibst hier. Du bist schon wieder so weiß.“ Es ist Eva. Jetzt wäre ich wirklich froh, wenn sie mich einfach nur in Ruhe lassen würde. Ich will mich wegdrehen, doch sie hält mich fest. „Du weißt, heute Abend versuchst du, es zu vergessen. Versuch diesen Abend zu genießen, sonst kannst du keine Entscheidung treffen.“ Es ist wieder ihre Stimme, die keine Widerrede duldet. Ihre Augen funkeln. Ich nicke. Schon nimmt sie meine Hände und beginnt weiter zu tanzen. Ich beginne mich zu bewegen, schalte meinen Kopf aus. Mein Körper beginnt von alleine, sich rhythmisch zu bewegen. Plötzlich verschmelze ich mit der Menge. Ich gröle bei jedem Lied mit und tanze mit Eva.
Die Männer lassen nicht lange auf sich warten. Natürlich, Eva ist ein Männermagnet. Wo sie ist, sind immer schon welche. Doch da kommt ein Typ auf mich zugetanzt. Dre i tagebart, lässiger Kleiderstil und er will mit mir tanzen. Nicht mit Eva. Er gefällt mir. Ich bewege mich in seine Nähe. Ich denke heute nicht nach. Nicht heute. Das Gehirn ist au s geschaltet, Saoirse. Wenn schon, denn schon. Er legt seine Hände um meine Hüften. Ich zucke zusammen. Plötzlich bin ich nicht mehr aufgekratzt. Ich spüre einen Hauch an meinem Hals und seine Lippen, die an meinem Hals herabwandern. Ich stoße ihn weg. Hilfe! Ich will nicht. Es fühlt sich nicht richtig an. Ich sehe auf meine Arme, ich habe Gänsehaut und mir ist übel. Er sieht mich nur kopfschüttelnd an und verschwindet.
Eva tanzt vor mir und sieht mich an. „Alles okay?“ Ich nicke. Ich soll heute alles vergessen und verpatze einfach alles. Ich scheine gut im Verdrängen zu sein, nach einer Viertelstunde grinse ich wieder wie ein Honigkuchenpferd. Aber ich tanze nur noch mit Eva. Sie scheint etwas zu ahnen und würdigt nun auch anderee Typen keines Blickes mehr. Es ist heiß hier und wir bekommen beide Durst. Als wir an der Bar stehen, um uns einen neuen Cocktail zu bestellen, kommen Julia und Kathrin zu uns. „Mädels, wir gehen heim. Wir sind müde.“ Eva drückt beide und verschwindet wieder in Richtung Tanzfläche. „Bleibst du noch?“ Kathrin sieht mich fragend an. Ich schaue in Richtung Tanzfläche. Eva hat sich umgedreht und streckt ihre Hände in meine Richtung. Ich schaue hin und her. Beide sehen mich auffordernd an. Ich schnappe meinen Cocktail. Als Erstes drücke ich Kathrin und dann Julia. Fest und lange. Ich streiche beide über den Kopf. Mir kommen die Tränen. Ich bin in … Abschiedsstimmung. Vielleicht ist das aber auch nur die Wirkung des Alkohols. Ich habe schon lang nicht mehr so viel getrunken, seit sieben Jahren nicht mehr. Mir ist heiß, und es dreht sich alles um mich herum, zumindestens ein bisschen. Ich schlucke die Tränen herunter. „Ich bleibe noch, ich bin noch nicht müde.“ Julia und Kathrin nicken, winken noch einmal Eva zum A b schied und verschwinden. Ich drehe mich um und tanze auf Eva zu. Ich fühle mich gut.
Ich will fort. Ich weiß es. Ich sitze in der Badezimme r ecke. Zusammengekauert. Es ist halb vier, morgens. Jan schläft, die Kinder schlafen. Susi und Paul ahnen nichts. Sie träumen wahrscheinlich von Bienen, Blumen und Kusche l tieren. Jan hat gemerkt, dass irgendwas anders ist. Er hat mir einen Tee gekocht. Ich öffne vorsichtig die Tür. Auf dem Boden steht die Tasse, mit den Herzchen drauf. Ich greife nach der Tasse, sie ist kalt, genauso wie die Fliesen. Ich friere. Es ist kalt, mein Zuhause, so kalt, wie ein Haus am Nordpol. Mein Mund ist trocken, ich nehme einen Schluck von dem Tee, Hagebuttentee mit zwei Stückchen Zucker, ich schmecke es genau. Er ist genau so, wie ich meinen Tee am Liebsten habe.
Ich starre auf mein Handy. Viertel vor vier. Meine drei lachen mich an. Das Foto ist an einem Grillabend entstanden. An dem Abend war ich glücklich, da dachte ich, dass alles so richtig ist. Ich ziehe mich hoch. Vor mir ist der Spiegel. Ich sehe eine Frau, mit rot verheulten Augen, zerwuschelten Haaren. Es ist nichts in Ordnung. Absolut nichts. Wie kann man nur so entgegengesetzt
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