Stop Me - Blutige Botschaft (German Edition)
des Opfers statt, und in der Mehrzahl der Fälle, bei nahezu sechzig Prozent, handelte es sich bei der Entführung um ein Gelegenheitsverbrechen. Aber Jasmine wusste, dass jeder, der nach einer Gelegenheit suchte, am Ende auch eine finden würde.
Auf jeden Fall hörte es sich an, als würde das kleine Mädchen zum Profil passen. “Wurde sie gefunden?”
“Erst, nachdem Moreau sie umgebracht hatte.”
Fast die Hälfte der Opfer, die von einem völlig Fremden entführt wurden, wurden getötet. Von diesen war die allergrößte Mehrheit, nämlich fünfundsiebzig Prozent, innerhalb von drei Stunden tot. Angesichts der Tatsache, dass die meisten Eltern oder Betreuungspersonen mehr als zwei Stunden selbst nach dem Kind suchten, ehe sie die Polizei einschalteten, hatten die Behörden meistens nicht viel Chance, das Kind zu retten. “Wie traurig.”
Er verzog das Gesicht. “Sie wollen bestimmt nicht wissen, was er dem armen Ding angetan hat.”
Nein, das wollte sie tatsächlich nicht. Sie konnte es sich nur zu gut vorstellen. “Bei Kindesentführungen mit anschließendem Mord handelt es sich im Allgemeinen um ein Sexualdelikt.”
“So war es auch bei Adele”, bestätigte Mr. Cabanis. “Wenn ihr Vater nicht gewesen wäre, würde der Typ immer noch unbehelligt rumlaufen und eine Gefahr für andere Kinder darstellen.”
Adele . Mit dem Namen wurde die Nachricht plötzlich zu einer persönlichen Tragödie, und das war zu viel für Jasmine. Sie verdrängte den Namen und versagte es sich, eine emotionale Verbindung zu dem armen Opfer herzustellen. Stattdessen konzentrierte sie sich auf die positiveren Aspekte ihrer Geschichte wie auf den Erfolg des Vaters. Jasmine war unsichtbar geworden, weil ihr eigener Vater vollkommen von Kimberlys Verschwinden in Anspruch genommen worden war. Zumindest in diesem Fall schien Mr. Forniers Einsatz etwas bewirkt zu haben. “Was hat der Vater des Mädchens getan?”
“Er hat geholfen, ihn zu stellen. Meine eigene Tochter war damals vierzehn, deshalb habe ich die Geschichte ziemlich genau verfolgt.”
“Moreau ist also ins Gefängnis gekommen?”
“Nein. Er ist wegen eines Formfehlers freigekommen.” Seufzend schüttelte der Hotelbesitzer den Kopf. “Das war die abscheulichste Sache, von der ich je gehört habe.”
Selbst wenn Jasmine denjenigen finden sollte, der ihr das Armband ihrer Schwester geschickt hatte, würde sie vor einer ähnlichen Herausforderung stehen. Wenn der Staatsanwalt keine vernünftige Anklage auf die Beine stellte; wenn sie auch nur einen einzigen Fehler machte, könnte der Kidnapper gehen, genau wie der von Adele. Es war eine dieser grausamen Realitäten, die oftmals die wohlwollendsten Unterstützer ihrer Arbeit zermürbten. “Was war das für ein Fehler?”
“Der Detective, der die Ermittlungen geleitet hat, hat irgendwas mit den Beweisen durcheinandergebracht … Wie das genau war, habe ich vergessen. Der Fall kam vor Gericht, sah nach einer todsicheren Sache aus. Und dann stürzte alles wie ein Kartenhaus ein.”
Manchmal wirkte alles so sinnlos, und Geschichten wie diese, bei der ein Fall unter Dach und Fach zu sein schien, es dann aber doch nicht war, machten es noch schlimmer. “Wenn er nicht im Gefängnis ist, wo ist er dann?”
Sein Sinn für Gerechtigkeit ließ die Augen des Mannes aufblitzen, und die offensichtliche Schadenfreude kündigte ein gutes Ende an. “Romain hat ihn erschossen.”
Jasmines Kiefer sackte nach unten. “Sie machen Witze. Moreau ist tot?”
“Mausetot. Als er aus dem Gerichtsgebäude kam … Peng.” Cabanis zielte mit dem Zeigefinger in die Luft und zog einen imaginären Abzug.
Es dauerte eine Weile, bis sie die Endgültigkeit von Forniers Tat verdaut hatte, aber schon drängten sich Jasmine verschiedene Fragen auf. “Ist Fornier dafür ins Gefängnis gekommen?”
Cabanis hatte seine Arbeit vergessen und stützte sich mit den Ellenbogen auf den Tresen. “Natürlich. Er leistete nicht einmal Widerstand. Er ließ die Waffe auf der Treppe des Gerichtsgebäudes fallen und wehrte sich nicht gegen seine Festnahme. Ich hab’s im Fernsehen gesehen. Alle Nachrichtensender waren da und haben alles aufgenommen.”
“Wirklich? Zu wie vielen Jahren wurde er verurteilt?”
“Angesichts der Umstände war der Richter milde mit ihm. Er bekam zwei Jahre und hat davon …”, Cabanis Bartstoppeln machten ein schabendes Geräusch, als er sich übers Kinn rieb, “… achtzehn Monate oder so abgesessen. Vor ein paar
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