Stop saying Goodbye: Roman (German Edition)
noch ziemlich verschlafen. »Was kann ich für Sie tun, damit Sie sich hier und jetzt wie zu Hause fühlen?«
»Einen Trödlertraum, bitte.«
Er zuckte nicht mit der Wimper. »Kommt sofort.«
Fünf Minuten später saß ich wieder in dem quietschenden,kunstledernen Sessel vor dem künstlichen Kaminfeuer. Außer mir war nur eine Gruppe Rentner zugegen, die um einen runden Tisch bei der Eingangstür hockten und angeregt über Politik diskutierten. Ich dachte an Dad, der daheim im Bett lag und schlief und keine Ahnung hatte, wo ich gerade steckte oder was ich vorhatte.
Nachdem ich mich letzte Nacht endlich beruhigt hatte und etwas klarer denken konnte, begriff ich allmählich, warum er mir behutsam geraten hatte, den Forderungen meiner Mutter einfach nachzugeben. Wir lagen schon so lange im Clinch miteinander; außerdem würde es nicht mal mehr ein Jahr dauern, dann hatten sich die Gründe für unseren Dauerkonflikt ohnehin erledigt. Und wollte ich wirklich der Auslöser dafür sein, dass wir das ganze Elend noch einmal durchmachen mussten? Was waren, aufs große Ganze gesehen, schon acht Monate? Wo mir doch schmerzlich bewusst war, dass ich am Ende des Sommers sowieso von hier wegziehen würde, mich so oder so von Dad trennen musste.
Dennoch ging es letztlich weder um dieses gute halbe Jahr noch um den einen Sommer. Nicht einmal um die Scheidung, die vielen Umzüge, die verschiedenen Mädchen, deren Identitäten ich so bereitwillig angenommen hatte. Dieses Mal ging es – und zwar mehr denn je – vor allem um mich selbst. Um das Leben, das ich mir hier in wenigen Wochen aufgebaut hatte; um Lakeview, den Ort, wo ich mich zum ersten Mal seit Langem ansatzweise heimisch fühlte; um die Leute, mit denen ich mich angefreundet hatte. Das war mal wieder typisch ich: In dem Moment, da ich meine mühsam antrainierte Fähigkeit, von jetzt auf gleich alles hinter mir zu lassen und abzuhauen, eigentlich ganz gut hätte brauchen können, hatte ich endlich einenOrt – und vielleicht sogar ein paar Menschen – gefunden, für die zu bleiben sich lohnte.
»Willkommen bei Frazier!«, verkündete der Typ hinter der Theke. Mittlerweile klang er etwas wacher. Womöglich hatte er sich ja selbst ein paar Schlucke Kaffee gegönnt?
»Guten Morgen!«, gab eine muntere Frauenstimme zurück. Ich wandte mich unwillkürlich um: Und da stand – Lindsay Baker, in Yogahosen und einer Fleecejacke, das Haar zu einem straffen Pferdeschwanz zusammengebunden. Als sie mich bemerkte, lächelte sie erfreut, machte sofort einen Schritt mich zu. »Mclean! Hallo! Ich wusste gar nicht, dass Sie gern hierherkommen.«
»Ich auch nicht«, gab ich zurück. Sie wirkte etwas irritiert, deshalb fügte ich hinzu: »Ich meine, ich war bisher nur ein- oder zweimal hier. Hab den Laden erst vor Kurzem entdeckt.«
»Diese Bäckerei ist einer meiner Lieblingsläden.« Sie ließ sich auf dem Sessel neben mir nieder, schlug (auch im Sportoutfit vollendet elegant) die Beine übereinander. »Ich komme jeden Morgen vorbei. Ohne meinen kalorienreduzierten Karamell-Mocha würde ich meinen Spinning-Kurs um halb acht nicht überleben. Der ist eine echte Herausforderung, sogar für mich.«
»Aha«, sagte ich. »Okay?«
»Außerdem – wie könnte man diesen Ort
nicht
mögen?« Sie lehnte sich entspannt zurück. »Es ist so gemütlich, man bekommt augenblicklich gute Laune, sobald man durch diese Tür tritt. Dann der Kamin, die netten Sprüche an den Wänden … Und das Beste ist: Ich muss von Berufs wegen häufig verreisen, aber es gibt fast überall Filialen, an jeder Ecke. Als hätte ich ein Stück Zuhause bei mir, egal, wo ich bin.«
Ich schaute mich in der so gelobten Bäckerei Frazier umund dachte an Dad. Wenn es etwas gab, das er in Restaurants hasste, dann Künstlichkeit. Essen zu essen, Essen zu erleben – sagte er immer – müsse eine authentische, eine reale Erfahrung sein, sinnlich, was Besonderes, Kleckern und Schlabbern inklusive; wenn man so tat, als würde das zum Essen nicht dazugehören, als dürfte es gar nicht sein, würde man sich selbst um etwas Wichtiges betrügen. »Ja, das ist wahrscheinlich sehr praktisch«, antwortete ich.
»Und sie bieten wirklich hervorragende Qualität. So frisch und ein breit gefächertes Angebot.« Sie zog die Handschuhe aus. »Ich gebe zu, ich komme zu fast jeder Mahlzeit her und es schmeckt mir
immer
. Außerdem liegt die Bäckerei genau auf halbem Weg zwischen meinem Apartment und meinem
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