Stop saying Goodbye: Roman (German Edition)
waren, ein paar Fotoalben, Jahrbücher … Ich nahm das oberste zur Hand; auf dem Einband waren die Worte WESTCOTT HIGHSCHOOL eingraviert. Ich schlug weder das Jahrbuch noch sonst irgendetwas auf, sondern legte den Deckel wieder auf die Kiste und machte weiter.
Als ich die dritte Kiste aus dem Regal nahm, hielt ich sie im allerersten Moment für leer, so leicht war sie. Doch es lag eine Patchworkdecke darin. Und nach ein, zwei Sekunden, in denen ich ein bisschen auf der Leitung stand, begriff ich schlagartig, dass es sich um die Decke handelte, die Mom mir an dem Tag geschenkt hatte, als ich mit Dad nach Montford Falls aufgebrochen war. Ich wusste noch, dass ich sie damals mitgenommen hatte; und jetzt fiel mir auch wieder ein, ich hatte sie irgendwann mit meinen Klamotten und Büchern aus Montford Falls mit zu Mom genommen und weggeräumt, ohne später je noch mal daran zu denken. Im Unterschied zu dem Quilt auf unserem Sofa fühlte sich diese Decke noch ganz neu an, steif, unbenutzt, die einzelnen Rechtecke fein säuberlich aneinandergenäht. Ich legte den Quilt wieder in die Kiste und stellte sie zu den anderen zurück ins Regal.
Es fühlte sich merkwürdig an, an diesem Ort – wo ichnicht hin- und wo nichts zu mir gehörte – einen Teil meiner Vergangenheit zu entdecken. Ganz weit weg verstaut, buchstäblich unter der Erde, wie Daves Schutzkeller. Ich richtete mich auf, steckte das Gert in die Hosentasche, bedeckte die Supermistbiene wieder mit der Plane, schnappte mir meine Tasche und kehrte ins erste Stockwerk zurück.
Meine Mutter war noch mit den Zwillingen beschäftigt. Ich setzte mich auf einen von ungefähr zehn identischen Designer-Barhockern mit Ledersitz an die ausladende Küchentheke und fuhr meinen Laptop hoch. Während er brav vor sich hin summte, wobei die übliche Abfolge von Icons und Befehlen auf dem Monitor aufleuchtete, gestattete ich mir, und zwar zum allerersten Mal seit etlichen Stunden, an Dave zu denken. Es war einfach zu hart, schwer, beschämend gewesen, mir seinen Gesichtsausdruck – eine Mischung aus Verwunderung, gespannter Konzentration und Enttäuschung – zu vergegenwärtigen, während er gemeinsam mit den anderen meine diversen Profile betrachtet hatte. Wie bei null anfangen, hatte er über den Moment gesagt, als ich ihn mit dem Basketball ausgeknockt hatte. Dass er authentisch und real gewesen sei. Inzwischen war er eines Besseren belehrt worden.
Ich öffnete meinen Internetbrowser, ging auf die
ume.com - Homepage
, gab meine E-Mail -Adresse ein. In weniger als zehn Sekunden starrte ich auf dieselbe Liste, welche die anderen sich angeschaut hatten: von Liz Sweet, der neuesten mit den spärlichsten Informationen ganz oben, bis hin zu Mclean Sweet an unterster Stelle, meiner ursprünglichen Webseite, als ich noch in Tyler wohnte. So lange war das her. Ich klickte die Seite gerade an, da hörte ich hinter mir die Türklingel. Sehr melodiös, muss man sagen.
Ich stand auf, lief zur Treppe, rief: »Mom?« Keine Antwort.Was in einem so riesigen Kasten wie diesem nicht weiter verwunderlich war.
Es klingelte erneut, deshalb lief ich ins untere Stockwerk und blickte aus dem Fenster. Auf dem Fußabtreter vor der Tür stand eine hochgewachsene, attraktive blonde Frau in Jeans und Zopfmusterpullover, die eine Einkaufstüte in der Hand und auf der Hüfte ein kleines Mädchen mit braunen Locken etwa in Maddies und Connors Alter trug. Als ich die Haustür öffnete, lächelte sie mich freundlich an.
»Du bist garantiert Mclean. Ich heiße Heidi«, sagte sie und hielt mir ihre freie Hand hin. Nachdem ich sie geschüttelt hatte, reichte sie mir die Tüte. »Für dich.«
Verwundert schaute ich erst sie an, dann in die Tüte. »Badeanzüge«, sagte sie, doch das war eigentlich überflüssig, denn ich sah sofort ein Stück des charakteristisch leicht glänzenden Stoffs in Schwarz, ein weiteres in Pink. »Ich wusste nicht, was dir gefallen könnte, deshalb habe ich mehrere mitgebracht. Falls dir keiner davon gefällt oder passt, auch okay, im Laden haben wir noch viel mehr.«
»Laden?«
»
Bei Clementine
«, antwortete sie; die Kleine legte den Kopf an Heidis Schulter und sah mich an. »Meine Boutique an der Promenade.«
»Ach so«, sagte ich. »Klar. Wir sind vorhin vorbeigegangen.«
»Habe ich gehört.« Wieder lächelte sie, warf einen Blick auf ihre Tochter. »Thisbe und ich ertragen die Vorstellung nicht, dass irgendein Mensch Zugang zu einem beheizten Schwimmbad und
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