Stop saying Goodbye: Roman (German Edition)
geöffneten Karton hin, damit ich sehen konnte, was drin war. »Jetzt keine Witze über Modelleisenbahnen!«, mahnte er. »Das ist eine sehr ernsthafte Angelegenheit.«
Ich blickte in den Karton. Darin standen in mehreren Reihen kleine Gläser mit allen möglichen Farben in allen möglichen Schattierungen sowie ein etwas größeres, in dem Pinsel steckten. Außerdem gab es Wattebäusche, ein paarLappen aus Baumwolle, Terpentin und diverse andere Utensilien, darunter Schere, Pinzette und Lupe.
»Was ist das denn?«, fragte ich verblüfft. »Was hast du vor?«
»Einfach nur ein bisschen mehr Leben reinbringen«, antwortete er. Auf meinen skeptischen Blick hin fuhr er fort: »Keine Bange, von der Meisterin persönlich genehmigt. Das meiste jedenfalls.«
Ich lächelte. »Ich fasse es kaum, dass das Modell wirklich beinahe fertig ist. Es kommt mir vor, als hätten wir das erste Haus erst gestern auf die Unterlage gesetzt.«
»Ja, wie die Zeit vergeht.« Er sah mir in die Augen. »Und wann geht’s los bei dir? Mit dem Umzug, meine ich.«
»Nächstes Wochenende bringe ich die ersten Sachen nach Tyler.«
»So bald?«
Ich nickte.
»Wahnsinn. Du machst keine halben Sachen, was?«
»Ich finde einfach nur, wenn ich schon wieder auf eine neue Schule gehen muss …« Ich seufzte. »Ich möchte es eben hinter mich bringen.«
Er nickte. Schwieg. Ein Auto fuhr vorbei.
»Ich muss allerdings zugeben, es stinkt mir schon, dass es letztlich bloß zwei Alternativen gab«, fuhr ich fort. »Entweder mit nach Hawaii ziehen, an einen neuen Ort, und noch mal ganz von vorne anfangen. Oder in mein altes Leben zurückkehren, das eigentlich gar nicht mehr richtig existiert.«
»Du brauchst eine dritte Option«, zitierte er mich. Mann, war das lange her – es schien mir jedenfalls so.
»Ja, schätze ich auch.«
Er nickte. Schwieg nachdenklich. Sagte schließlich: »Also,falls du meine bescheidene Meinung hören willst, sind zusätzliche Optionen in der Regel nicht auf den ersten Blick erkennbar. Das ist jedenfalls meine Erfahrung. Man muss ein wenig genauer hinschauen.«
»Und wann kriegt man mit, was Sache ist?«
Er zuckte die Achseln. »Wenn man offen dafür ist, schätze ich.«
Aus irgendeinem unerfindlichen Grund sah ich plötzlich die Plastikkisten, die in Moms Garage hinter der Supermistbiene im Regal gestanden hatten, vor meinem geistigen Auge. »Das hast du jetzt aber wirklich sehr klar ausgedrückt«, meinte ich trocken.
»Gern geschehen«, konterte er.
Und als ich diesmal lächelte, erwiderte er mein Lächeln. »Du solltest allmählich los«, meinte ich. »Ehe Deb auf die Idee kommt, dem Modell einen abendlichen Besuch abzustatten, weil sie vor lauter Nervosität sowieso nicht schlafen kann.«
»Du denkst, das ist ein Witz«, antwortete er. »Aber so was könnte tatsächlich passieren. Bis dann, Mclean.«
»Ja«, erwiderte ich. »Bis dann.«
Er wandte sich zum Gehen. Doch genau in der Sekunde trat ich näher, überbrückte den Abstand zwischen uns mit einem letzten Schritt, küsste ihn auf die Wange. Erneut spürte ich, wie ihn das überrumpelte, doch immerhin wich er nicht zurück. Nachdem ich mich wieder gelöst hatte, sagte ich: »Danke!«
»Wofür?«
»Dass du da bist.«
Er nickte. Und als er nun an mir vorbei zur Straße lief, berührte er mich kurz, aber mit einem festen, warmen Griff an der Schulter. Ich blickte ihm nach. Er überquerte dieStraße, steuerte auf die Gasse zu, aus der die hellen Lichter des
Luna Blu
zu mir herüberleuchteten. Dann drehte ich mich um, atmete tief durch, ging auf unser Haus zu.
Ich streckte gerade die Hand nach dem Türknauf aus, da begriff ich schlagartig zwei Dinge auf einmal: A) Dad war definitiv daheim. Und zwar B)
nicht
allein. Aus dem Inneren des Hauses hörte ich gedämpfte Stimmen, seine und dann eine etwas höhere, die anscheinend auf das antwortete, das er gesagt hatte. Aber die wenigen Lampen, die eingeschaltet waren, verbreiteten nur eine Art Schummerlicht; und während ich noch so vor der Tür stand, fiel mir auf, dass sich zunehmend Pausen in das Gespräch der beiden einschlichen, ein Schweigen hier, ein Schweigen da, das sich immer mehr ausdehnte und nur noch gelegentlich von einigen Worten oder Lachen unterbrochen wurde.
Hilfe!
, dachte ich und lehnte mich Halt suchend an die Tür. Mir Dad zusammen mit Lindsay von den Weißen Riesenzähnen vorzustellen, machte mich völlig fertig. Ich wusste gar nicht mehr, woher ich überhaupt die Kraft nehmen sollte
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