Stop saying Goodbye: Roman (German Edition)
kreieren.
»
Bloß
Nachbarn?«, fragte sie.
Es war nervig, wie sie ständig gewisse Worte besonders deutlich betonte, aber ich verkniff mir eine diesbezügliche Bemerkung. Irgendwann zu Beginn der ersten Halbzeit – nachdem sie meine Hand immer noch nicht losgelassen hatte und mich im Maschinengewehrtempo mit Fragen nach allem und jedem, von Schule bis Freunden, bombardierte – hatte ich im Stillen beschlossen: Jetzt hieß es »Augen zu und durch«, so gut ich eben konnte. Die einzige Alternative wäre gewesen, sie anzufauchen; da wir allerdings gerade mal zwei Reihen hinter Peter und seinen Assistenztrainern saßen und damit direkt im Visier der Kameras, hätten Basketballfans im ganzen Land unsere Mutter-Tochter-Spannungen live und in Farbe im Fernsehen verfolgen können. Und es war ohnehin schon viel zu viel schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit gewaschen worden. Es würde mich nicht umbringen, zwei Stunden lang gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
Wobei ich die Kameras und die Fernsehübertragung möglicherweise sogar verdrängt hätte – hätte sich nicht ungefähr alle zehn Sekunden Daves Handy gemeldet, weil wieder einer seiner Freunde ihn zu Hause auf dem Fernsehbildschirm entdeckt hatte. Was ihm wiederum völlig entging, so versunken war er in das Spiel; er schaute mit halb offenem Mund zu und konnte anscheinend immer noch nicht fassen, was für einen Wahnsinnsplatz er hatte, wie nah er dran war.
Er konnte seine Augen also nicht vom Geschehen lassen. Ich dagegen warf einen diskreten Blick auf das Display seines Handys. Die erste SMS, von Ellis, lautete WAS UM ALLES IN DER WELT?!, gefolgt von MANNOMANN! und ähnlich lautendenKommentaren. Lauter Absender, deren Namen ich nicht kannte. Das Handy piepte noch einmal, kündigte eine weitere SMS an. ALTER CHARMEUR. Von Riley.
»Dein Handy spielt verrückt«, sagte ich zu ihm.
Er sah erst mich an, dann sein Handy, richtete seine Aufmerksamkeit jedoch schnell wieder aufs Spielfeld. »Kann alles warten«, meinte er. »Schaust du etwa nicht zu? Ich fasse es nicht.«
»Natürlich schaue ich zu«, antwortete ich. »Sehr gutes Spiel.«
»Großartiges Spiel, und zwar von einem noch viel großartigeren Platz aus. So was habe ich noch nie erlebt«, sagte er. »Ich fasse es nicht, dass du zur Basketball-Aristokratie dieses Landes gehörst und so ein Geheimnis darum machst.«
»Ich gehöre nicht zur Basketball-Aristokratie!«, gab ich zurück. »Was genau soll das überhaupt sein?«
»Peter Hamilton ist dein Stiefvater.«
»
Stiefvater!
«, wiederholte ich, wahrscheinlich einen Tick lauter als nötig. Ich räusperte mich. »Stiefvater«, sagte ich noch einmal.
Was ihn endlich aufmerken ließ. Er sah erst mich an, dann an mir vorbei zu meiner Mutter und den Zwillingen. »Stimmt«, antwortete er langsam. Bedachte mich mit einem Blick, der dazu führte, dass ich mir auf einmal ganz seltsam vorkam. Verletzlich. Als hätte ich mehr ausgesprochen, als ich tatsächlich gesagt hatte. »Jedenfalls noch mal vielen Dank für die Einladung. Ehrlich.«
»Gern geschehen.« Da er mich nach wie vor unverwandt ansah, deutete ich Richtung Spielfeld. »Hallo-o! Schaust du etwa nicht zu? Ich fasse es nicht.«
Dave grinste, konzentrierte sich wieder auf das Match. Im selben Moment meldete sich erneut sein Handy. Dochdiesmal achtete auch ich nicht darauf, sondern richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf die Spieler, die so schnell an uns vorbeirasten, dass sie einem vor den Augen verschwammen. Und der Ball, der zwischen ihnen hin- und herflog, war fast nicht mehr zu sehen.
Jetzt waren wir also im
Boeuf
. Und ich ermahnte mich selbst zur Geduld. Ich war mit einem Jungen als Begleiter aufgetaucht –
natürlich
würde meine Mutter darüber spekulieren. »Wir sind wirklich bloß Nachbarn«, antwortete ich. »Er wohnt nebenan.«
»Er scheint sehr nett zu sein«, sagte sie. »Und intelligent.«
»Er hat bisher gerade mal zwei Worte mit dir gewechselt«, erwiderte ich. Im selben Moment stimmte einer der Zwillinge ein lautstarkes Protestgebrüll an.
»Bitte?«, fragte sie, beugte sich dichter zu mir, hielt die Hand ans Ohr wie einen Trichter.
»Nichts.«
Dave kehrte zu uns an den Tisch zurück und rannte so heftig gegen meinen Stuhl, dass ich halb auf die Seite kippte. »Sorry«, meinte er, während er sich zu seinem Stuhl tastete und hinsetzte. »Wahnsinn, wie dunkel es hier drinnen ist. Ich war erst in einem anderen Raum und habe mich an einen fremden Tisch
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