Storm: Thriller (German Edition)
Sampson da und stemmte ihm das Knie in den Rücken, während ich aufstand.
»Sir, hören Sie sofort auf damit!«, schrie John ihn an, während ich ihn hastig nach Waffen durchsuchte.
»Nein! Nein! Bitte!«, kreischte er. »Ich habe nichts getan! Ich bin unschuldig!«
»Was ist denn das ?«
In der Seitentasche seiner zerschlissenen und völlig verdreckten Jacke hatte ich ein Messer entdeckt. Eine Klopapierrolle diente als Scheide, und das Ganze war mit Paketband umwickelt.
»Das dürfen Sie mir nicht wegnehmen!«, sagte er. »Bitte! Das gehört mir.«
»Ich nehme es Ihnen nicht weg«, erwiderte ich. »Ich behalte es nur vorerst in der Hand.«
Wir halfen ihm auf die Füße und begleiteten ihn bis zur Mauer, wo wir uns setzen konnten.
»Brauchen Sie einen Arzt, Sir?«, erkundigte ich mich. Der Sturz hatte eine Schürfwunde auf seiner Stirn hinterlassen. Das tat mir ein bisschen leid. So, wie er hier schlotternd vor mir saß, empfand ich nur noch Mitleid für ihn. Dass er sich bis vor einer Minute noch mit Händen und Füßen gewehrt und versucht hatte, mir einen Finger abzubeißen, hatte ich schon vergessen.
»Nein«, sagte er. »Nein.«
»Sind Sie sicher?«
»Ich bin nicht verpflichtet, mit Ihnen zu reden. Sie haben keinen Grund mich einzusperren.«
Sein Englisch war gut, wenn auch ein wenig steif. Und er war nicht so verwirrt, wie ich im ersten Moment gedacht hatte, auch wenn er immer noch jedem direkten Blickkontakt aus dem Weg ging.
»Und was ist damit?« Ich zeigte auf das Messer und reichte es Sampson. »Hören Sie, Sie haben Ihr Abendessen einfach stehen lassen und sind weggerannt. Möchten Sie vielleicht ein Hotdog? Etwas zu trinken?«
»Ich bin nicht verpflichtet, mit Ihnen zu reden«, wiederholte er.
»Ja, ja, ich hab’s kapiert. Eine Cola vielleicht?«
Er nickte in Richtung Boden.
»Ein Hotdog, eine Cola«, sagte Sampson und machte sich auf den Weg zu den Verkaufsständen in der D-Street. Ich sah Siegel und seine Leute auf dem Bürgersteig stehen. Sie warteten ab, wie sich die Sache weiter entwickelte. Zumindest hielt Max Abstand, das war eine willkommene Abwechslung.
»Hören Sie«, sagte ich. »Es ist Ihnen doch aufgefallen, dass ich Sie nicht nach Ihrem Namen gefragt habe, oder? Ich will lediglich den Mann auf diesem Foto finden, und ich glaube, dass Sie etwas wissen, das Sie uns nicht sagen wollen.«
»Nein«, beharrte er. »Nein, nein, nein. Ich bin bloß ein armer Mann.«
»Und warum sind Sie dann weggerannt?«, wollte ich wissen.
Aber er gab keine Antwort, und ich konnte ihn nicht dazu zwingen. Da hatte er recht. Mein Gefühl allein reichte nicht aus, um ihn festzunehmen.
Als Sampson mit dem Hotdog wiederkam, schlang der Kerl es mit drei Bissen hinunter, leerte seine Coladose und stand auf.
»Ich kann jetzt gehen, ja?«, sagte er.
»Nehmen Sie meine Karte mit«, sagte ich. »Für den Fall, dass Sie es sich anders überlegen.«
Ich gab sie ihm, und Sampson reichte ihm das Messer mit der Pappscheide. »Sie brauchen auch kein Geld, um uns anzurufen«, fügte ich noch hinzu. »Sie können jeden Polizisten auf der Straße ansprechen und sagen, dass Sie mit mir reden wollen. Und passen Sie mit diesem Messer auf. Bringen Sie sich nicht in Schwierigkeiten, okay?«
Natürlich gab es kein Auf Wiedersehen. Er steckte das Messer ein und ging die D-Street entlang. Wir sahen ihm nach.
»Sag mal, Sampson«, meinte ich. »Denken wir gerade das Gleiche?«
»Ich glaube schon«, meinte er. »Er weiß was. Ich warte bloß noch, bis er um die nächste Ecke gebogen ist.«
»Hört sich gut an. Ich werde Siegel bitten, in der Unterkunft weiterzumachen. Dann bringe ich diese Coladose ins Labor. Vielleicht hilft sie uns ja irgendwie weiter.«
Unser geheimnisvoller Murmler war jetzt an der Kreuzung First Street. Er bog nach links ab und verschwand aus unserem Blickfeld.
»Also gut, mein Einsatz«, sagte Sampson. »Ich ruf dich an, falls es was zu berichten gibt.«
»Ich auch«, erwiderte ich, und wir trennten uns.
86
Mit den Kriminalpolizisten im Rücken spürte Stanislaw Wajda das wilde Hämmern seines Herzens. Das war noch nicht das Ende. Nein. Nein. Nein. Noch lange nicht.
Und als er an der Ecke war und einen schnellen Blick zurück warf, beobachteten sie ihn immer noch. Wahrscheinlich würden sie ihn sogar verfolgen.
Er hätte nicht so losrennen sollen. Das war ein Fehler gewesen. Es hatte die Dinge nur noch schlimmer gemacht. Und jetzt blieb ihm nichts anderes übrig, als weiterzugehen.
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