Storm: Thriller (German Edition)
Wirklichkeit war ich zufälligerweise auf einen Killer gestoßen.
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Die Online-Recherche nach »Stanislaw Wajda« brachte zunächst einmal alle möglichen Ergebnisse. Als ich dann gezielt nach Zeitungsberichten suchte, erhielt ich eine lange Liste mit Artikeln über einen Vermisstenfall.
Das kam mir vielversprechend vor, und ich klickte den ersten an. Er stammte aus der Baltimore Sun .
Verschwundener Professor hinterlässt offene Fragen
12. April, College Park – Die Suche nach Stanislaw Wajda (51), Professor an der University of Maryland, geht weiter. Zuletzt wurde er am Abend des 7. April im A. V. Williams Building auf dem Universitätsgelände gesehen.
Seit seinem Verschwinden mehren sich die Spekulationen um den Geisteszustand des Professors. Von den örtlichen Polizeidienststellen und der Universität ist zu diesem Thema keinerlei Kommentar zu bekommen, allerdings ist allgemein bekannt, dass der Hochschullehrer während der vergangenen sechs Monate immer wieder durch unberechenbare Verhaltensweisen aufgefallen war.
Im Oktober wurde die Polizei wegen eines häuslichen Streits zu Wajdas Adresse im Radcliffe Drive gerufen. Wajda, der bis dahin noch nie straffällig geworden war, erhielt eine Anzeige wegen schwerer Körperverletzung und verbrachte eine Nacht auf der Wache. Anschließend wurde die Anklage wieder fallen gelassen.
Im vergangenen Jahr war Wajda bereits zweimal zur Universitätsleitung zitiert worden, einmal aufgrund seines nicht näher beschriebenen, aggressiven Verhaltens gegenüber einem Doktoranden, das zweite Mal im Anschluss an einen – nach den Worten eines Augenzeugen – »wahnsinnigen Wutanfall« in der Universitätsbibliothek. Anlass war eine nicht auffindbare Zeitschrift gewesen.
Wajda ist Professor der Mathematik und war 1983 aus Polen in die Vereinigten Staaten eingereist, um in Boston zu studieren. Dort gewann er etliche angesehene Preise. In jüngster Zeit wurde er in der Wissenschaftsserie NOVA des Fernsehsenders PBS für seine Studien im Bereich der Primzahlen gewürdigt, insbesondere für seine unermüdliche Suche nach einem Beweis für die Riemann’sche Hypothese, die vielen als der Heilige Gral der modernen Mathematik gilt …
Ich brach meine Lektüre sofort ab, stand auf und war schon auf dem Weg zur Tür, als ich Sampsons Nummer wählte.
»Vielen Dank, Strings.«
»Gern geschehen. Freut mich, dass ich helfen konnte.«
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»Wo steckst du, John?«
»Ich stehe vor dieser verdammten Unterkunft, ob du’s glaubst oder nicht. Ich jedenfalls glaub’s nicht. Der Typ hat seinen Einkaufswagen ein paar Mal um den Block geschoben und sich dann hier ein Bett für die Nacht besorgt, noch bevor Siegel und die anderen weg waren. Ich habe Donny Burke Bescheid gesagt, dass er die Nachtschicht übernimmt.«
»Wir müssen den Kerl da rausholen«, sagte ich.
»Warum klingst du so komisch, als würdest du rennen?«
»Der Kerl ist Mathematik-Professor, John. Spezialist für Primzahlen. Und die Riemann’sche Hypothese.«
» Was ?«
»Ganz genau. Er heißt Stanislaw Wajda und wird seit einem Jahr vermisst. Warte auf mich. Ich bin gleich da.«
Zu Fuß ging es schneller als mit dem Auto. Ich war schon die Hintertreppe hinuntergelaufen und überquerte den Judiciary Square.
»Ich regle das«, sagte Sampson. »Wenn du hier bist, hab ich ihn schon hier draußen.«
»John, lass …«
Aber er hatte schon aufgelegt. Sampson kann genauso stur und eigensinnig sein wie ich manchmal. Darum kann ich ihm auch schlecht einen Vorwurf machen.
Ich legte noch einmal einen Zahn zu.
Vom Judiciary Square gelangte ich auf die Fourth Street und lief dann um die Ecke in Richtung Second Street. Ich war noch nicht da, da kam Sampson mir entgegen. Anscheinend war er einmal um das ganze Gebäude herumgelaufen.
»Er ist weg, Alex! Sein Einkaufswagen ist verschwunden. Die haben da eine gottverdammte Hintertür. Er hat mich verarscht! Er ist abgehauen!« Sampson drehte sich weg und trat gegen einen Müllsack am Straßenrand. Jede Menge Abfall landete auf der Straße.
Bevor er den nächsten Tritt landen konnte, zog ich ihn zurück. »Hör doch auf, John. Eins nach dem anderen. Wir sind ja noch nicht einmal sicher, dass das unser Mann ist.«
»Ach, hör doch auf damit«, entgegnete er. »Er ist es. Ich hab ihm dieses verdammte Messer zurückgegeben und dann hab ich ihn laufen lassen.«
»Wir beide waren das, John«, sagte ich beschwichtigend. »Wir beide .«
Aber Sampson hörte mir gar nicht zu. Ich
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