Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald
gewissermaßen höhere Gewalt war. Eine lässliche Sünde.
Doch jetzt änderte er sein Vorhaben. Er wollte zuerst nach Linz fahren und vor Ort nach der Familie des Mädchens suchen. Die Polizei konnte auch noch ein oder zwei Tage warten, bisher hatte sie es auch nicht so eilig gehabt mit den Ermittlungen. Außerdem konnte er sich bis dahin eine Entschuldigung ausdenken.
An der Haustüre klingelte es. Teresa meldete, dass der Heimatpfleger da war. Baltasar begrüßte ihn und gratulierte ihm zu seinem Artikel in der Zeitung.
»Die Resonanz war wirklich erstaunlich.« Ein Strahlen huschte über Rossmüllers Gesicht. »Eine solche Entdeckung in unserer Gegend! Sogar einen Anruf von der Universität in München hatte ich. Ein Biologieprofessor will ein Studienprojekt starten.«
»Das ist wunderbar. Ich hoffe, Sie bleiben an dem Thema dran. Keiner ist bei uns ein solcher Experte dafür wie Sie.«
»Danke.« Die Wangen des Heimatpflegers röteten sich. »Ich war schon beim Bürgermeister. Herr Wohlrab ist ganz angetan davon, dass sich die Mopsfledermaus gerade hier niedergelassen hat. Und nun zu meinem anderen Hobby.«
Emanuel Rossmüller legte mehrere Ordner auf den Tisch. »Meine Sammlung von Totenbretter-Fotos. Ich habe, wie gesagt, einige neue dazu bekommen, hatte aber wegen der ganzen Mopsfledermaus-Geschichte erst jetzt Zeit, sie durchzusehen und den Regionen zuzuordnen, soweit das möglich war.«
Sie sahen sich gemeinsam die zumeist mit Ort und Datum versehenen Aufnahmen an. Baltasar holte das Foto mit Walburga Bichlmeier und den Totenbrettern im Hintergrund.
»Sehen Sie sich das an, Herr Rossmüller. Könnten das die Gedenktafeln bei uns sein?«
Der Heimatpfleger ging mit dem Bild zum Fenster, um es genauer zu betrachten. »Ich bin mir nicht sicher. Aber warten Sie, ich glaube, bei der letzten Lieferung war was dabei, was passen könnte.« Er nahm ein Album und suchte in den hinteren Seiten. »Na, wer sagt’s denn, auf mein Gedächtnis ist Verlass. Hier ist es.«
Das Foto war vergilbt, der Rand eingerissen. Es zeigte eindeutig die Totenbretter, bei denen das Skelett vergraben worden war, die beiden Namen »Ludwig Auer« und »O. Reisner« waren der Beweis. Daneben, einige Meter entfernt und etwas versetzt, stand ein drittes Totenbrett. Das Schild war stark verwittert, der Name darauf unleserlich, eine Seitenleiste, die ursprünglich ein Dach andeuten sollte, fehlte.
Baltasar legte das andere Foto daneben. Es war kein Zweifel möglich: Walburga Bichlmeier stand an der bewussten Stelle. Und es waren drei Gedenktafeln.
»Heute sind da nur mehr zwei Totenbretter. Haben Sie dafür eine Erklärung, Herr Rossmüller?«
»Das geschah früher öfter. Wie gesagt, die Tafeln sind aus Holz und sollen verwittern. Oder dem Bauern war das Totenbrett lästig, und er hat es einfach beseitigt.« Er wies auf die dritte Tafel. »Wie Sie bemerkt haben dürften, Hochwürden, wurde dieses Totenbrett an einer ungewöhnlichen Stelle platziert. Normalerweise stehen sie in einer Reihe.«
»Danke, das hilft mir weiter. Darf ich mir dieses Foto für einige Zeit ausborgen?«
»Selbstverständlich, Herr Pfarrer. Woher haben Sie eigentlich die Aufnahme? Sie muss sehr alt sein.«
»Dachbodenfund.«
»Aha. Und wer ist die Person auf dem Bild?«
»Ich glaube, Walburga Bichlmeier, die Frau, die ermordet wurde. Sie haben sicher in der Zeitung davon gelesen.«
»Und ob ich das habe.« Rossmüllers Stimme nahm einen anderen Tonfall an. »Ich kannte die Frau nicht persönlich, Sie wissen, Herr Pfarrer, ich bin nicht von hier, aber ich habe einiges über sie gehört.«
»Tatsächlich?«
»Diese Bichlmeier war in der ganzen Region bekannt, besser gesagt, berüchtigt.«
»Berüchtigt wofür?«
»Sie bringen mich in Verlegenheit, Hochwürden.« Der Heimatpfleger kratzte sich am Kopf. »Ich bin nicht der Mensch, der über andere tratscht oder Gerüchte verbreitet, die er nicht beweisen kann. Aber ich kenne jemanden, der hatte vor vielen Jahren mit dieser Bichlmeier zu tun. Es war sogar ein Fall für die Polizei, wenn ich mich recht erinnere.«
»Ich würde gerne mehr wissen, schließlich braucht die Kripo unsere Unterstützung.«
»Also gut.« Er nahm ein Blatt Papier und schrieb eine Adresse auf. »Reden Sie mit ihm, wenn Ihnen das so wichtig ist. Und richten Sie schöne Grüße von mir aus. Sie werden Ihr blaues Wunder erleben!«
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D er Bahnhof von Linz glänzte in der Vormittagssonne. Baltasar ging zu Fuß die Humboldtstraße
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