Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald
in der Vergangenheit schon einmal gestohlen.« In Kurzform erzählte Baltasar von den Treffen der Marienkinder und davon, welche Bedeutung die Gebetskette für die Gruppe hatte.
»Sie meinen, das Ganze ist so ein Sektending, so was Durchgeknalltes, wie bei Charles Manson?« Mirwald verzog das Gesicht, als ob er gerade Essig geschluckt hätte. »Das ist total abgedreht, Herr Senner, richtig schräg, Ihre Theorien.«
»Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und behaupte, der Einbruch könnte auch etwas mit dem toten Mädchen zu tun haben. Wenn der Unbekannte den Rosenkranz suchte, hatte er womöglich Angst, darauf könnten seine DNA-Spuren zu finden sein. Weil er der Mörder der jungen Frau war und ihr den Rosenkranz mit ins Grab gelegt hat. Vor zwanzig Jahren machte man sich um solche Beweismittel wie DNA noch wenig Gedanken.«
»Das Problem ist nur, wir haben den Rosenkranz im Labor untersuchen lassen. Darauf waren keinerlei Spuren zu finden. Null Komma null. Das Ding ist einfach zu lange in der Erde verbuddelt gewesen«, sagte Mirwald.
»Das weiß der Täter doch nicht«, entgegnete Baltasar. »Er denkt, die Gebetskette könnte ihn belasten. Und in der Kirche haben wir sie nicht mehr ausgestellt. Deshalb sucht er sie im Haus des Pfarrers. Das ergibt Sinn, oder etwa nicht?«
»Ohne Beweise bleibt es Spekulation«, sagte Dix. »Uns fehlen die konkreten Hinweise.«
»Einen hab ich für Sie«, sagte Baltasar. Er berichtete von seinem Besuch bei Walburga Bichlmeier und ihrer Aussage, eine Eva aus Österreich sei bei ihr gewesen. »Leider spricht sie phasenweise in Rätseln.«
»Bei den Vermisstenmeldungen war keine Eva dabei. Es gibt viele Frauen, die Eva heißen. Ein Familienname wäre hilfreicher gewesen. Aber wir werden bei den österreichischen Kollegen nachfragen und später mit der alten Dame sprechen.« Mirwald schrieb sich die Adresse auf. »Das hat aber nicht höchste Priorität. Zuerst müssen wir den Überfall klären.«
Doktor Knoll hatte seine Praxis hinter dem Rathaus. Baltasar meldete sich bei der Sprechstundenhilfe an. »Ein Patient hat gerade seinen Termin abgesagt, das passt. Gehen Sie ruhig hinein.«
Der Arzt saß hinter seinem Schreibtisch und studierte eine Akte. »Ah, Pfarrer Senner, wie gut, dass Sie kommen. Ich wollte Sie schon anrufen. Der Befund vom Krankenhaus liegt vor.« Er blätterte zurück. »Pater Pretorius hatte Glück. Eine Platzwunde am Kopf, die von einem Schlag herrührt. Wurde genäht. Gehirnerschütterung. Ihr Kollege befindet sich schon auf dem Weg der Besserung. Übrigens, hat der Mann ein Alkoholproblem?«
Baltasar sah ihn fragend an. »Ich glaube nicht. Wir saßen am Vorabend gemütlich zusammen.«
»Nach den Promillewerten im Blut zu urteilen, muss es ein sehr gemütlicher Abend gewesen sein. Einerlei, er muss die nächsten Tage das Bett hüten, er erhält Infusionen und bleibt unter Beobachtung. Er hat schon nach Ihnen gefragt.«
»Ich werde ihn besuchen.« Baltasar fand die Vorstellung nicht unsympathisch, wieder einige Tage Ruhe zu haben. Er erzählte dem Arzt von den Vorfällen und den Ermittlungen der Polizei. »Übrigens, Herr Doktor, Sie haben doch von dem siebzehnjährigen Mädchen gehört, dessen Skelett im Acker vergraben war?«
»Wer könnte nicht davon gehört haben? Das ist doch das bevorzugte Gesprächsthema hier, gleich nach dem Sporthotel, das bei uns gebaut werden soll.«
»Mir hat jemand erzählt, die junge Frau hätte Eva geheißen und wollte damals einen Arzt aufsuchen. Könnte es sein, dass Sie damals in Ihre Praxis kam?«
»Keine Ahnung. Ich habe die Praxis selbst erst vor zwölf Jahren übernommen.«
»Hat Ihr Vorgänger keine Unterlagen hinterlassen, Aufzeichnungen, Krankenakten?«
»Damals war alles noch auf Papier. Im Laufe der Jahre habe ich die aktuellen Fälle, also die Patienten, die irgendwann zu mir in Behandlung kamen, für den Computer aufbereitet. Den Rest, wenn Sie so wollen, die Karteileichen, habe ich entsorgt. Alles geschreddert.«
»Nichts mehr da? Schade. Auch keine Meldungen für die Krankenkassen oder so etwas?«
»Ist vernichtet. Ich …« Knoll überlegte. »Doch halt, da fällt mir was ein. Mit etwas Glück habe ich noch die alten Terminbücher meines Vorgängers. Ich brachte es nicht übers Herz, sie wegzuwerfen. Sie waren so schön altmodisch, Sütterlin-Schrift, Sie verstehen, kaum zu entziffern, und oft hat der Doktor kleine Zeichnungen am Rand hinterlassen. Warten Sie. Vor genau zwanzig Jahren, oder?« Er
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