Stout, Maria
unterscheiden.
Tillies
Nachbarn am Hang auf der anderen Seite ihres Hauses, Greta und Jerry,
frühstücken zufällig auch im Wintergarten und können Tillie auf ihrer Terrasse
sehen. Sie sind zu weit entfernt, um das Murmeltier zu bemerken. Alles, was sie
sehen können, ist die siebzigjährige Tillie, wie sie regungslos in ihrem
blauweißen Kleid dasteht.
Die
fünfunddreißigjährige Greta, Leiterin des örtlichen Warenhauses, sagt zu ihrem
Mann Jerry, einem Bauunternehmer: "Verdammt, ich wünschte, diese
fürchterliche Frau würde einfach von hier wegziehen. Wie lange wohnt sie
inzwischen hier?"
"Fünfzehn
Monate", antwortet Jerry.
Greta
lächelt grimmig. "Aber wer zählt schon die Tage, oder? Ich weiß, ich
sollte mir nicht wünschen, dass jemand von hier verschwindet; aber sie ist so
unglaublich gemein. Und dominant. Ich weiß nicht, wie
sie sich überhaupt selbst ertragen kann."
Jerry
seufzt und sagt: "Vielleicht könnten wir ihr Haus kaufen."
Greta will
lachen, als ihr klar wird, dass Jerry es ernst meint. Plötzlich erkennt sie,
dass ihr für gewöhnlich gleichmütiger Ehemann Tillie ebenso verabscheut wie
sie selbst. Sie fröstelt und fühlt sich ein bisschen schuldig und geht zurück
in die Küche, um noch etwas frischen Kaffee zu holen.
Als sie
zurückkommt, starrt Jerry immer noch die alte Frau auf ihrer Terrasse an. Er
sagt: "Nein, wir können es uns nicht leisten, ihr Haus zu kaufen.
Vielleicht zieht sie ja einfach weg. Man sollte denken, dass jemand wegziehen
würde, wenn er in der gesamten Nachbarschaft so verhasst ist wie sie."
Greta
stellt fest: "Na ja, also die Sache ist ja, dass man bestimmt überall, wo
sie auftaucht, so auf sie reagiert."
"Ja,
wahrscheinlich. Wo hat sie früher gelebt?"
"Keine
Ahnung", antwortet Greta. Dann, mit einem aufkeimenden Gefühl der
Dankbarkeit, dass Jerry ihre Gefühle teilt, sagt sie: "Ist es zu fassen?
Ich glaube, es war letzte Woche, als sie mich angerufen und gesagt hat, wir
sollten in unserem Kamin kein Feuer mehr machen. Sie sei 'allergisch gegen
Holzrauch' - wie findest du das?"
"Was 7 . Davon hast du mir nichts erzählt! Das ist irre!" Jerry ballt die
Fäuste und ändert dann sein Urteil. "Nein, das ist nicht irre. Es ist einfach
nur dummes Zeug. Wir werden ein Feuer in dem verdammten Kamin machen und zwar
heute Abend. Also, ich werde noch etwas mehr Holz hereinbringen, bevor ich zur
Arbeit fahre."
"Aber
es soll heute richtig warm werden."
"Ja,
und?"
Diesmal
lacht Greta tatsächlich. "Weißt du, wie wir uns anhören?"
Jerry
sieht seine Frau verlegen an, und seine Mundwinkel wandern nach oben. Er
öffnet die geballten Fäuste und knackt ein paarmal mit den Knöcheln, um sich zu
entspannen.
Die
Nachbarin von Greta und Jerry auf der gegenüberliegenden Straßenseite und drei
Häuser weiter ist eine ältliche Witwe namens Sunny. Genau in diesem Moment
denkt auch Sunny daran, wie gemein Tillie doch sei, obwohl sie Tillie nicht auf
deren rückwärtiger Terrasse sehen kann wie Greta und Jerry. Gestern hatte
Tillie die Polizei gerufen, weil Sunny ihr Auto auf der Straße vor ihrem
eigenen Haus geparkt hatte. Sunny hatte schon immer ihr Auto auf der breiten
Fläche zwischen der Straße und ihrem Haus geparkt, seit ihr Mann vor zehn
Jahren das Zeitliche gesegnet hatte, weil sie Angst davor hat, mit dem Auto
von der Einfahrt in den Verkehr zurückzusetzen. Ein junger Polizist kam und forderte
sie auf, ihr Auto in der Einfahrt zu parken. Er entschuldigte sich mehrfach,
sagte aber trotzdem, dass Tillie im Recht sei. Es sei ein Verstoß. Sunny hat
ihr Frühstück noch nicht beendet, und schon graut ihr vor der bevorstehenden
Fahrt zum Lebensmittelgeschäft, da sie ganz allein das Auto wird zurücksetzen
müssen. Sie könnte heulen. Und das Auto war nicht einmal in der Nähe von
Tillies Haus!
Während
Sunny betrübt auf die Straße schaut, beschließt Tillie auf ihrer hinteren
Terrasse, dass das Murmeltier fürs Erste nicht wieder auftauchen wird. Sie geht
zurück ins Haus, wo sie nicht mehr von Greta und Jerry, die immer noch am Hang
frühstücken, gesehen werden kann. Während Greta und Jerry ihren Kaffee
austrinken und versuchen, über etwas anderes zu reden, geht Tillie in ihrer
Küche ans Telefon und ruft Catherine an, ihre direkte Nachbarin, mit der sie
nunmehr ein Murmeltier teilt.
Catherine
ist Lehrerin in der sechsten Klasse. Sie ist seit ihrem zweiundzwanzigsten
Lebensjahr Lehrerin gewesen, und nun naht ihr sechzigster Geburtstag heran.
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