Stout, Maria
Befehle erteilt. Als Milgram sein Experiment derart änderte,
dass er nicht selbst im Raum war, sank der Gehorsam um zwei Drittel auf etwa
denselben Wert, der festgestellt wurde, als ein "gewöhnlicher Mann"
die Leitung hatte. Und wenn die Autoritätsperson nicht in der Nähe war, "schummelten"
die Probanden gerne, indem sie nur die niedrigeren Spannungsstufen der Maschine
verwendeten.
Die Nähe
der Autoritätsperson ist im realen Leben in Hinsicht auf die Befehlsdisziplin
unter Gefechts- und Kriegsbedingungen besonders wichtig. Es hat sich
herausgestellt, dass das Gewissen des Einzelnen sich erstaunlich standhaft
weigert, einen Akt der Tötung zuzulassen - erstaunlich für diejenigen, die
menschliche Wesen für geborene Krieger halten. Dieser Aspekt des Gewissens ist
bei normalen Menschen so unerschütterlich, dass Militärpsychologen gezwungen
waren, Wege zu finden, ihn zu umgehen. So wissen zum Beispiel die
Militärexperten inzwischen, dass Befehle durch Autoritätspersonen inmitten der
Truppe gegeben werden müssen, um Männer mit einiger Zuverlässigkeit zum Töten
zu bewegen. Anderenfalls werden die Männer im Feld versuchen, den Befehl zum
Töten durch "schummeln" zu umgehen, indem sie absichtlich daneben
zielen oder einfach nicht feuern; so können sie es vermeiden, dieses mächtigste
Gebot des Gewissens zu verletzen.
Brigadegeneral
S. L. A. Marshall 22 war ein US-amerikanischer Kriegshistoriker des
II. Weltkriegs im pazifischen Raum; später wurde er der offizielle
Geschichtsschreiber für die Operationen in Europa. Er hat viele Vorfälle im II.
Weltkrieg beschrieben, bei denen fast alle Soldaten ihre Befehle ausgeführt und
ihre Waffen abgefeuert haben, wenn ihre Vorgesetzten präsent waren, um sie zu
kommandieren; wenn aber die Vorgesetzten sie verließen, sank die Feuerquote
sofort auf 15 bis 20 Prozent. Marshall war der Meinung, dass die große
Erleichterung der Soldaten in einem Sektor, in dem sie nicht einem direkten
Feuerbefehl unterstanden, "weniger darauf zurückzuführen war, dass sie
sich dort sicherer fühlten, als vielmehr auf das beglückende Wissen, dass sie
eine Zeit lang nicht unter dem Zwang zu töten standen."
In seinem
Buch On Killing: The Psychological Cost of Learning to Kill in
War and Society 23 ("Über das Töten: Die
psychischen Kosten der Ausbildung zum Töten im Krieg und in der Gesellschaft")
kommentiert der ehemalige Feldjäger und Fallschirmjäger der US Army
Oberstleutnant Dave Grossman die Beobachtungen von Marshall. Ferner zieht er
Untersuchungen des FBI* über Schussverweigerungen von Polizeibeamten und
Statistiken über Schussverweigerungen aus einer langen Reihe von Kriegen heran,
*
Anmerkung des Übersetzers: FBI steht für "Federal Bureau of Investigation",
was häufig mit "Bundespolizei" übersetzt wird. Diese Strafermittlungsbehörde
der USA ist dem deutschen Bundeskriminalamt vergleichbar.
darunter
der amerikanische Bürgerkrieg, erster und zweiter Weltkrieg, Vietnamkrieg und
Falklandkrieg. Er kommt zu dem Schluss, dass "im Laufe der Geschichte die
überwältigende Mehrheit der Kombattanten sich im Moment der Wahrheit, als sie
den Feind töten konnten und sollten, sich als 'Kriegsdienstverweigerer aus
Gewissensgründen' erwiesen hat." Nach sorgfältiger Würdigung der
historischen Belege, dass Bodentruppen einer Gelegenheit zum Töten häufig
widerstehen und sie stillschweigend sabotieren, kommt Grossman zu einer "neuartigen
und beruhigenden Schlussfolgerung über die menschliche Natur: Trotz einer ungebrochenen
Tradition von Gewalt und Kriegen ist der Mensch nicht von Natur aus ein Killer."
Um die Essenz des Gewissens zu unterlaufen, um fähig zu sein, das Bajonett zum
Stoß zu führen oder den Abzug zu betätigen mit dem Ziel, einen Fremden zu
töten, müssen normale Menschen sorgfältig ausgebildet, psychologisch
konditioniert und von Autoritätspersonen auf dem Schlachtfeld befehligt werden.
Außerdem hilft
es, moralische Ausgrenzung zu fördern und die Truppe daran zu erinnern, dass
die feindlichen Soldaten ja nur Neutren, Krauts*, Spinner, Schlitzaugen sind.
Wie Peter Watson in seinem Buch War on the Mind: The Military Uses
and Abuses of Psychology 24 ("Krieg gegen die Vernunft:
Militärische Anwendung und Missbrauch der Psychologie") schreibt, "werden
die stupiden lokalen Gebräuche lächerlich gemacht" und die "lokalen
Persönlichkeiten als böse Halbgötter dargestellt."
Auf und
neben dem Schlachtfeld muss der jeweils zu führende Krieg sowohl
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