Sträfliche Neugier
blickte sich um, ob
ihn jemand beobachtet hatte, aber die Straße war auch am heutigen Vormittag
menschenleer. Rasch verstaute er die Schatulle auf der Rückbank seines Autos
unter einer alten Decke und fuhr dann zu Claudia. Als Tim ihr von dem schweren
Unfall ihres Bruders berichtet hatte, meinte sie:
»Wenn du etwas Zeit hast, dann lade ich dich herzlich zu
einer Tasse Kaffee ein, wir haben uns doch schon eine Ewigkeit nicht mehr
gesehen.«
Tim nahm die Einladung gern an, denn nach der Nachtschicht
brauchte er etwas zur Aufmunterung. Allerdings verriet er Claudia nichts über
seinen Fund.
»Ich komme gerade von einer Leichenschau«, sagte sie. »Man
entdeckte heute Morgen unterhalb der Burgruine einen Toten. Ich hatte schon
befürchtet, dass es Max war. Aber Gott sei Dank, er war es nicht! Wie geht es
ihm jetzt?«
»Schon viel besser und ich denke, dass er in einigen Tagen
entlassen wird. Er bat mich, nach seiner Brille zu suchen, die habe ich
tatsächlich gefunden, sie war zum Glück noch heil. Ich bringe sie ihm nachher,
der Ärmste ist ohne sie so gut wie blind.«
Nachdem er sich verabschiedet hatte, dachte Claudia bei
sich: ›Tim ist eigentlich kein übler Kerl, von mir aus kann er sich ruhig
mal wieder sehen lassen.‹
Bevor Tim wieder zum Krankenhaus
fuhr, wollte er seinen Fund erst in Sicherheit bringen. Er hatte im Staukasten
seines Wohnwagens unter der hinteren Sitzbank einen Safe eingebaut. Dieser kleine
Tresor war fachmännisch auf einem Querträger des Fahrgestells befestigt und
konnte nicht so ohne Weiteres gestohlen werden.
Tim legte die Schatulle in den
Tresor, betätigte die mechanische Verriegelung und gab dann die Code-Ziffern
für die elektronische Sicherung ein, die im Falle eines unbefugten
Öffnungsversuchs einen schrillen Alarmton auslösen würde. Um vom Netzbetrieb
unabhängig zu sein, erhielt die Safe-Elektronik ihre Betriebsspannung von einem
separaten Akku. Als gelernter Elektromechaniker hatte sich Tim diese
technischen Raffinessen ausgedacht, um auch einmal Wertgegenstände während
seiner Abwesenheit diebstahlsicher aufbewahren zu können.
Anschließend fuhr Tim wieder zu Max. Der war glücklich,
die Brille wiederzuhaben und bedankte sich bei Tim. »Der nächste kostenlose
Service für deinen VW-Käfer ist dir auf alle Fälle sicher!«, versprach er ihm.
Die Freunde unterhielten sich noch eine Weile, dann
verabschiedete sich Tim:
»Leider muss ich gehen, mein Dienst fängt bald an; will
mich vorher noch ein bisschen aufs Ohr hauen. Ich schaue gelegentlich vorbei,
wenn du wieder zu Hause bist.«
Insgeheim freute er sich auf ein baldiges Wiedersehen mit
Claudia, denn er konnte sie schon immer gut leiden und die roten Flecken in
ihrem Gesicht hatten ihn noch nie gestört.
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Was
ist Viscurt?
T im
fuhr dann zu seinem Wohnwagen und holte die Schatulle aus dem Tresor. Er
stellte sie auf den Tisch und hob fast andächtig den Deckel an. Interessiert
betrachtete er ihren seltsamen Inhalt. Gerade als er sie wieder schließen
wollte, bemerkte er ganz unten ein kleines weißes Band. Er zog daran und ein
doppelter Blechboden gab nach. Zum Vorschein kamen weitere als D1 und D2 deklarierte Ampullen sowie ein gelber Notizzettel, auf dem unverständliche
Kombinationen aus Ziffern und Buchstaben zu lesen waren. ›Das ist aber ein
komischer Text, was soll nur dieser Quatsch‹ , dachte Tim bei sich. Dann klappte
er das lose Blech ganz herum und entdeckte ein darunter geklebtes weißes Blatt
Papier, das den auf einer uralten Schreibmaschine geschrieben Hinweis enthielt:
SONDERVORSCHRIFTEN
A. Verkleinern:
1. Ganz entkleiden
2. Körper völlig mit VISCURT -Paste einschmieren,
Thermoschutz gegen
Höchst-/Niedrigst-Temperaturen
sowie zur Abschreckung von
Tieren
3. Fünf Tropfen aus Fläschchen K1 auf Zucker einnehmen
4. Danach zehn Kapseln aus Dose K2 schlucken
5 Nach Wiederherstellung der
natürlichen Größe Paste
mit Warmwasser und Seife
abwaschen
B. Wachsen :
Die Substanz in den Fläschchen D1 und D2 ist nur für
Pflanzen bestimmt und nicht
für menschlichen
Verzehr.
C. Hinweise:
Für jeglichen Schaden nach
unsachgemäßer oder gar
oraler Anwendung übernehme ich
keinerlei Haftung.
Doktor Martin Curtius
Wie er jetzt feststellte, würde seine Verkleinerung doch
etwas schwieriger werden, als er sich das vorgestellt hatte. Einerseits
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